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Fronleichnam 2020 in Zell-Kaimt-Merl

Fronleichnam in Zell-Merl-Kaimt

Corona-bedingt mussten die gewohnten Fronleichnams- prozessionen in der Pfarreiengemeinschaft Zeller Hamm in diesem Jahr ausfallen. Diese schöne Tradition sollte aber nicht vollends unterbrochen werden. Daher kam der Pfarrgemeinderat und der Verwaltungsrat von Zell und Pastor Paul Diederichs auf die Idee, den Segen von einem Boot aus zu spenden. Das Fronleichnamshochamt wurde zunächst in der Pfarrkirche St. Peter gefeiert. Da aber die Teilnehmerzahl in der Kirche wegen der strengen Hygieneauflagen begrenzt war, wurde den Gläubigen anschließend der Segen vom Boot aus erteilt. Pastor Diederichs bestieg nach der Messe mit der Monstranz ein mit Blumen geschmücktes Boot am Zeller Moselufer. Er wurde begleitet von Stefan Fischer und Karl-Heinz Weis vom Zeller Verwaltungsrat. Das von Anke Schawo hervorragend geschmückte Boot fuhr an der Zeller Altstadt vorbei bis zur Autobrücke, dann am Kaimter Moselufer entlang und danach bis nach Merl und zurück. Bei der Vorbeifahrt des Bootes läuteten die Glocken der jeweiligen Pfarrkirche. Entlang des Moselufers standen überall die Menschen, um den eucharistischen Segen zu empfangen. In Kaimt hatte Familie Lehmen ihren Altar extra aufgebaut, sodass sich dort etliche Gläubige natürlich im vorgeschriebenen Abstand sammelten, außerdem versammelten sich Gläubige gegenüber am Schwarze Katz-Brunnen sowie am Merler Fährkopf. Und überall wurden Fronleichnamslieder gesungen, besonders in Kaimt sowie am Merler Fährkopf. Das diesjährige Fronleichnamsfest werden die Gläubigen wohl wegen der Besonderheit nicht vergessen. Dank an alle, die auf diese Weise mitgefeiert haben, und nochmals ein besonderer Dank an alle, die diese außergewöhnliche Segnung möglich gemacht haben.

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Hier finden Sie die Texte zum alten Adventskalender 2012, die äteren "Auf ein Wort"-Texte und "Gedanken zum Sonntag".

Weihnachten entgegen – Gedanken zur Adventszeit

Adventskalender 2012:
1. Dezember
Advent – was wir heute die Vorbereitungszeit auf Weihnachten nennen, war in den Anfängen der jungen Christenheit die Erwartung auf die „Parusia“, die Wiederkunft des Herrn. Für die frühe Kirche war die Wiederkehr Christi nicht irgendein Fest im Laufe des Jahres, sondern das Grundthema ihres Glaubens schlechthin. „Advent“ heißt die Hoffnung auf endgültige Rettung über den Tod hinaus, auf das Reich Gottes, dass es sich für alle Welt entfalte.

2. Dezember
Der Adventskranz mit seinem von Sonntag zu Sonntag wachsenden Licht ist ein Symbol „nach vorne“, ein Hinweis auf Christus als das Leben und das Licht der Welt. In diesem „Licht vom Lichte“ begründet sich unsere Sehnsucht nach dem, was über Zeit und Raum endlos hinausgeht. – Und von dieser Hoffnung leben wir: Mit dem Licht von Betlehem ist die Finsternis in und um uns endgültig vergangen.

3. Dezember
In allem sind wir angenommen, auch in dem, was in unserem Leben nicht oder weniger gut gelingt. So wie wir sind, hat uns Gott ins Leben gerufen und mit seiner Liebe begabt. Seit der Weih-Nacht in Betlehem wissen wir: Das in Jesus aufstrahlende Licht wird niemals mehr verlöschen – nicht hier und nicht jenseits von Zeit und Raum.

4. Dezember
„O komm, o komm, Immanuel...“ So singen und beten wir im Advent. Damit beschreiben wir (auch) unsere Sehnsucht nach dem Licht und der Weite hinter allen Grenzen. „Alles beginnt mit der Sehnsucht“ (Nelly Sachs). Der heilige Augustinus sagt es nicht anders: „Unruhig ist unser Herz, bis es zur Ruhe kommt bei dir, mein Gott.“

5. Dezember
Advent meint nicht ein Zurückblicken in die Zeit, vielmehr die Hoffnung über alle Zeit hinaus, in der Liebe Gottes das zu finden, was wir in unserer unfertigen Welt vergeblich suchen. Wir Menschen selbst sind adventliche Wesen. Trotz allem Leid und aller Erfahrung von Vergänglichkeit leben wir „auf diese eine Nacht hin“, von der wir Frieden und Heil erwarten.

6. Dezember
Die Hoffnung des Menschen auf Frieden, Liebe und Gerechtigkeit ist letztlich die Sehnsucht nach dem Menschen, wie Gott ihn gemeint hat. Mit Maria wird uns ein solch gelungenes Leben vor Augen gestellt: Maria hört und glaubt. In ihr verwirklicht sich das Einswerden von Gott und Mensch in Jesus Christus.

7. Dezember
Dem Denken und Empfinden des Menschen scheint es wesenseigen zu sein, nach absoluter Sicherheit zu suchen, ohne sie je (ganz) zu erreichen. Am nächsten kommen wir dieser Sicherheit/Sehnsucht, wenn wir immer mehr dem Grund unseres Seins vertrauen – der in Jesus Christus Mensch gewordenen Liebe Gottes.

8. Dezember
Adventskranz und Christbaum verheißen das „neue Licht“, die „Sonne voller Glanz“. Joh 1,9 nennt Christus „das wahre Licht“, das jeden Menschen erleuchtet. Joh 8,12 lässt Jesus von sich selber sagen: „Ich bin das Licht der Welt, wer mir nachfolgt, wird nicht in der Finsternis wandeln, sondern das Licht des Lebens haben.“

9. Dezember
Das zunehmende Licht des Adventskranzes symbolisiert die steigende Erwartung auf die Geburt Jesu, das Grün das Leben an sich und die Kerzen das in der Weih-Nacht endgültig ankommende „Licht der Welt“.
Von dieser Hoffnung leben wir: „Heute ist euch der Retter geboren in der Stadt Davids; er ist Christus, der Herr“ (Lk 2,12).

10. Dezember
„Mit meinem Gott überspringe ich Mauern“, heißt es in Psalm 18. Es sind die Mauern, die wir selbst errichtet haben: Mauern des Schweigens, wo wir reden und handeln müssten, Mauern der Selbstzufriedenheit, die uns den Blick für das Trennende verstellen. Seit Weihnachten gibt es keine Mauern mehr. Christus, das Licht der Welt, leuchtet allen Menschen, auf welcher Seite sie auch stehen.

11. Dezember„Macht hoch die Tür, die Tor macht weit, es kommt der Herr der Herrlichkeit“ (Liedtext). Das soll unsere Antwort auf das Angebot Jesu sein: Ich bin die Tür. Wer durch mich hineingeht, findet die Wahrheit und das Leben. – Wenn wir in der Liebe wachsen, finden wir mehr und mehr die Türen zu uns selbst und zu den Menschen.

12. Dezember
Die Kugeln am Christbaum – ohne Anfang und Ende, kein Oben und kein Unten, kein Links und kein Rechts – Symbol für das Ganze. Weihnachten meint das Ganze – jeden Einzelnen und alle Menschen in der einen Welt. Die Geburt Jesu ist ein universales Ereignis: „Alle Enden der Erde schauen Gottes Heil“ (Jes 52,10).

13. Dezember
„Ich will nicht angezündet werden und verbrennen“, sagte die kleine Kerze. „Nur wenn du dich anzünden lässt, wirst du, was du wirklich bist“, antwortete das Kind. – Da ging der kleinen Kerze ein Licht auf und sie strahlte und leuchtete, als gelte es, die ganze Welt zu erhellen.

14. Dezember
Musiklärm allerorten – „Stille Nacht, heilige Nacht“ ... Die Menschen hätten den Lärm nicht, wenn sie ihn nicht heimlich wollten. Doch wissen wir: Nur in der Stille finden wir zu uns selbst: Die verborgenen Sprachen zwischen Himmel und Erde werden hörbar und wir nähern uns ein wenig mehr dem Unsagbaren...

15. Dezember
„Sei gegrüßt, du Begnadete, der Herr ist mit dir. ... Du wirst ein Kind empfangen, einen Sohn wirst du gebären, dem sollst du den Namen Jesus geben...“ So spricht der Engel Maria an – und so beginnt unsere Heilsgeschichte: Maria empfängt durch den Heiligen Geist den Herrn und gibt ihm das irdische Leben. In Jesus ist Gott Mensch geworden – für uns.

16. Dezember
Weihnachten feiern – vieles ist möglich. Da gibt es keine Regeln und keine Norm. Von der Reklame müssen wir uns nicht einreden lassen, was wir schenken und wie wir ein „Frohes Fest“ feiern. Wenn Weihnachten als das Fest der Freundschaft Gottes mit den Menschen erkennbar bleibt, ist es nicht wichtig, ob wir mit Sekt oder Wasser anstoßen.

17. Dezember
Advent heißt ankommen... Unterwegs sein, gemeinsam den Weg bestehen – und ankommen. Wir müssen das Ziel kennen, um auf dem Weg zu bleiben und nicht in Sackgassen zu laufen. Der, auf den wir warten, sagt von sich selbst: Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben.

18. Dezember
Die Hirten in der Weihnachtsgeschichte lassen sich auf die Botschaft des Engels ein. Sie gehen dem Licht nach und erfahren: In Jesus sind Gott und die Menschen eins geworden. – Kann man das erklären? Kann man erklären, warum sich zwei Menschen lieben? Da geschieht etwas, was nicht zu fassen, aber doch wahr und wirklich ist.

19. Dezember
Weihnacht

„Christkind ist da“,
sangen die Engel im Kreise
über der Krippe
immerzu.

Der Esel sagte leise
I-a
und der Ochse sein Muh.

Der Herr der Welten
ließ alles gelten.
Es dürfen auch nahen
ich und du.

Dieses wunderschöne Kindergedicht von Josef Guggenmos fasst die Weihnachtsbotschaft zeitlos gültig zusammen: Es dürfen auch nahen ich und du.

20. Dezember
Advent – die Zeit der Erwartung und der Hoffnung, dass das Licht die Nacht und die Liebe den Hass endgültig besiegen wird. „Entgegen der einen Nacht der Herrlichkeit“, heißt es in einem Gedicht von Rilke. Mit Freude wollen wir dem „Licht von Betlehem“ entgegen gehen, dem „Licht der Völker“ und dem „neuen Tag“, der niemals endet.

21. Dezember
Maria und Josef unterwegs, für sich und das ungeborene Kind eine Herberge suchend. Sie stehen vor verschlossenen und zugeschlagenen Türen. Für die dahinter ist das allemal bequemer und unverfänglicher. – Mit der Geburt Jesus wurden uns alle Türen geöffnet. Ob wir die Einladung annehmen, nicht „draußen vor der Tür“ zu bleiben?

22. Dezember
Weihnachten – da ist zuerst von der Freude die Rede, die der Engel verkündet, allen – und nicht nur denen, die einen verdreckten und unbehausten Stall niemals betreten würden. Freude für alle... auch für die, die zu oft vor verschlossenen Türen stehen.

23. Dezember
Mit dem Kind von Betlehem ist uns ein Licht aufgegangen: Das wahre Licht des Lebens und der Liebe. Gibt es mehr Sinn in unserem Leben, als dieses Licht zu suchen und ihm nachzugehen? – Wir entscheiden selbst, ob uns das einleuchtet und erhellt.
24. Dezember
Weihnachten – die dunkelste und die längste Nacht des Jahres. Mit der Geburt Jesu verdrängt das Licht die Finsternis, die Nächte werden kürzer und die Tage länger. Es wird sichtbar, was Gott den Menschen über den Tag hinaus zugedacht hat: „Das Licht leuchtet in der Finsternis...“ (Joh 1,5).









Auf ein Wort 2015

Weihnachten 2015
Weihnachten – da ist zuerst von der Freude die Rede, die der Engel verkündet, allen – und nicht nur denen, die einen verdreckten und unbehausten Stall niemals betreten würden. Freude für alle... auch für die, die zu oft vor verschlossenen Türen stehen.

Die Hirten in der Weihnachtsgeschichte lassen sich auf die Botschaft des Engels ein. Sie gehen dem Licht nach und erfahren: In Jesus sind Gott und die Menschen eins geworden. – Kann man das erklären? Kann man erklären, warum sich zwei Menschen lieben? Da geschieht etwas, was nicht zu fassen, aber doch wahr und wirklich ist.

Weihnachten – die dunkelste und die längste Nacht des Jahres. Mit der Geburt Jesu verdrängt das Licht die Finsternis, die Nächte werden kürzer und die Tage länger. Es wird sichtbar, was Gott den Menschen über den Tag hinaus zugedacht hat: „Das Licht leuchtet in der Finsternis...“ (Joh 1,5).

Von dieser Hoffnung leben wir: Das in Jesus aufstrahlende Licht wird niemals mehr verlöschen – nicht hier und nicht jenseits von Zeit und Raum. Mit dem Kind von Bethlehem ist uns ein Licht aufgegangen: Das wahre Licht des Lebens und der Liebe. Gibt es mehr Sinn in unserem Leben, als dieses Licht zu suchen und ihm nachzugehen? – Wir entscheiden selbst, ob uns das einleuchtet und erhellt.
Manfred Reichgeld (21.12.15)


Stille oder Meditation?
„Fördern die Veranstaltungen der kirchlichen Bildungseinrichtungen und die dort angebotenen Kurse in Meditation und Spiritualität letztlich auch den Christusglauben oder tragen sie bloß Praktiken anderer Religionen in die Gemeinden?“
(Papst Benedikt XVI.)

Es ist üblich geworden, die kurzzeitige Beschäftigung mit einem literarischen oder religiösen Text, das etwas intensivere Betrachten eines Bildes oder das Hören einer leisen Musik Meditation zu nennen. Auch wenn der Begriff zunehmend inflationär verwendet wird, die unterschiedlichen weltanschaulich-spirituellen Voraussetzungen und die noch weniger übersichtlichen Schulen und Methoden, zumal jene östlicher Herkunft, werden von den meisten, die sich über Meditation verbreiten, nicht einmal erahnt.

Was wir uns selbst und anderen anbieten können, sind Erfahrungen „wider den Trend nach außen“, natürliche Stillesituationen (z.B.), die Wege nach innen öffnen und zu Muße, Sammlung und zu innerer Ruhe führen... Stilleerfahrungen vermögen uns vor uns selbst zu bringen und von Reife zu Reife zu einem neuen Verhältnis zu den Dingen. Wie nichts sonst ist die Stille der Ort der Gotteserfahrung schlechthin.

Um „die verborgenen Sprachen zwischen Himmel und Erde“ immer mehr zu verstehen, bedarf es der Stille und des Schweigens, nicht meditativer Erfahrungswege, esoterischer Inszenierungen oder ähnlicher Konstellationen.
Manfred Reichgeld (03.12.15)



Das Brot des Lebens
Im Matthäus-Evangelium (13,33) lesen wir die Antwort Jesu auf die Frage nach dem Himmelreich: „Mit dem Himmelreich ist es wie mit dem Sauerteig, den eine Frau unter einen großen Trog Mehl mengte, bis das Ganze durchsäuert war.“

Auch wenn uns die Metapher zunächst wenig greifbar erscheinen mag, begrifflich eindeutiger umschrieben, würde weniger sichtbar als in dem, was Jesus gleichnishaft erzählt: „Ein wenig Sauerteig durchsäuert den ganzen Teig“ (Gal 5,9).

Das Himmelreich, von dem Jesus immer wieder in Bildern spricht, ist ja nicht ein Ort in Raum und Zeit, nicht hier oder dort – es „entsteht“ vielmehr dadurch, dass wir glauben und entsprechend handeln: Du bist der Gott des Lebens und der Liebe. In und durch Jesus haben wir Anteil an deiner göttlichen Wahrheit.

Wie ein wenig Sauerteig alles verändert … und zu Brot wird, so können wir einander Brot sein: all das, was Menschen zum Leben brauchen: Geben und Nehmen … unsere Liebe, die nicht weniger wird, wenn wir sie teilen. – Jesus selbst ist das Brot, das Leben gibt und Frieden stiftet und Fremde zu Schwestern und Brüdern macht: durch sein Wort, in der Eucharistie und in der Gemeinschaft der Kirche.
Manfred Reichgeld (14.10.15)


Glauben
„Den Glauben haben können
wie auch die Liebe haben können,
gehört zur Natur der Menschen.“
(Augustinus)

Die unausgesprochene Frage „Glaubst du das?“ ist eine fast tägliche Erfahrung in den unterschiedlichsten Situationen unseres Lebens. Wenn wir von „glauben“ sprechen, meinen wir einen Sachverhalt, den jemand (als Wissender) kennt und verstehbar mitteilt. Glaubst du das? Wir können uns so oder so entscheiden – und immer steht vor dem Sachverhalt, in den wir selbst keinen Einblick oder nur einen unzureichenden Zugang haben, die Person, die beansprucht, dass man ihr glaubt. Der Grund dafür, dass man „etwas“ glaubt, ist, dass man „jemandem“ glaubt...

„Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde, und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unseren Herrn...“ – so beten wir im Glaubensbekenntnis. Dem geht voraus: Gott selbst spricht zu den Menschen und schließt ihnen sein eigenes Wesen auf; in Christus haben wir Anteil an seinem Leben.

Thomas von Aquin spricht von der offenbarenden Rede Gottes als der „Mitteilung eines geistigen inneren Lichtes, wodurch die menschliche Erkenntnis befähigt werde, etwas zu gewahren, das ihr kraft des eigenen Lichtes nicht gewahrbar sei“. Anders formuliert: Im Glauben an den Gott des Lebens und er Liebe vollendet sich menschliches Leben: „hörenden Vertrauens sich der Wahrheit öffnend, gewinnen wir Anteil nicht nur am ‚Wissen’ des göttlichen Bürgen, sondern an seinem Leben selbst“ (Josef Pieper).

„Wo das Wissen genügt, bedürfen wir des Glaubens nicht“ (Goethe). Um menschlich zu leben und um bei uns selbst anzukommen, reicht alles Wissen nicht.

Manfred Reichgeld (07.09.15)


Neues ist geworden

In seinem Brief an die Römer schreibt der Apostel Paulus: „Des bin ich gewiss: Weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, keine Gewalten, nicht Höhe noch Tiefe noch irgendeine Kreatur kann uns trennen von der Liebe Gottes, die da ist in Christus Jesus unserem Herrn“ (Röm 8,38f.).

In dieser wunderbaren Rede wird „alles“ gesagt: Je mehr wir verbunden sind mit Jesus Christus und mit denen, die (in seiner Kirche) zu ihm gehören, umso mehr wachsen wir in das wahre Leben, das uns in Zeit und Raum und jenseits aller Grenzen für immer zugedacht ist.

Nichts kann uns trennen von der Liebe Gottes... Wenn wir uns von solchem Glauben erfüllen lassen, dann ist unser Leben getragen von jener Zuversicht, die Jesus in diese Welt zu bringen kam. Darum geht es: Christus ähnlich zu werden, dem menschlichen Bild Gottes, nach dem wir alle geschaffen sind.

Paulus sagt: „Das alte Bild versinkt, neues ist geworden (2 Kor 5,17) – nicht mehr ich lebe, sondern Christus lebt in mir“ (Gal 2,20). – Nur das Unbegrenzte, Unendliche und Ewige ist weit genug für unsere Natur und dem gemäß, wie Gott uns gewollt hat.

Manfred Reichgeld (16.07.15)



Mein und euer Vater

„Jesus ist der, hinter dem und über den hinaus nichts mehr denkbar und real ist. Er ist der Anfang schlechthin. Vor ihm gibt es nur die Entscheidung Glaube oder Unglaube“ (R. Guardini).

Wir glauben, dass Jesus der ist, der von sich selbst sagt: „Denn wie der Vater das Leben in sich hat, so hat er auch dem Sohn gegeben, das Leben in sich zu haben“ (Joh 5,26). „Ich und der Vater sind eins“ (Joh 10,30). „Wer mich gesehen hat, hat auch den Vater gesehen“ (Joh 14,9).

In den Texten des Neuen Testaments wird deutlich: Jesus ist nicht einfach der mit Gott durch Auftrag oder Gnade verbundene Menschensohn oder Prophet, sondern der wesensgleiche „Sohn“, der von sich sagt: „Ich bin es“ – entsprechend der Selbstbezeugung Gottes im Alten Testament: „Ich bin“ (= Jahwe).

Daher unterscheidet Jesus in seinen Reden zwischen „meinem Vater“ und „eurem Vater“ und sagt damit: Wo ich bin, da ist Gott – der handelt, der erwählt, der vergibt, ... „Alles, was der Vater tut, tut auf gleiche Weise der Sohn“ (Joh 5,20). – In Mt 16,15 fragt Jesus seine Jünger: „Ihr aber, für wen haltet ihr mich?“ Simon Petrus antwortet: „Du bist der Messias, der Sohn des lebendigen Gottes.“ Das soll auch unsere Antwort sein.

Manfred Reichgeld (22.06.15)



Gegen Gewalt die Güte

„Gott ist die Liebe, und deswegen ist er auch das Gesetz. Wer gegen die Liebe Gottes und gegen das Gesetz verstößt, verdient die gerechte Strafe...“ So redeten und handelten die Schriftgelehrten und Gesetzeslehrer. Dass Jesus auch nur entfernt gedacht haben könnte, Gewalt gegen Gewalt zu setzen...

Im 7. Kapitel des Johannes-Evangeliums (Joh 7,53-8,11) sagt Jesus: „Wer von euch ohne Sünde ist, werfe als erster einen Stein auf sie.“ In dieser Rede vereinigt sich alles, was Jesus wollte: nicht Recht und Gerechtigkeit fordern, sondern zu sehen, was Menschen nötig haben, um zu leben... Gott als den gütigen Vater zu lehren, bereit und ohne Vorleistung, jedem alles zu vergeben.

Verstehen statt aufrechnen,
vergeben statt verurteilen
– der Blick nach innen, der uns vor uns selbst bringt -
das ist die Vision Jesu von einem neuen Anfang.

Wir sind auf diesem Weg, wenn in unserem Denken und Tun immer mehr von dem aufscheint, was wir von Gott je erkennen können - wenn wir nach letztem Sinn suchen und nach der ausgestreckten Hand. Wer Gott so begegnet, das ist die Erfahrung Jesu (bei seiner Taufe am Jordan), sieht den Himmel offen.

Manfred Reichgeld (09.06.15)



Unbefangener leben

„Als Jesus an einem Sabbat durch die Kornfelder ging, rissen seine Jünger Ähren ab, zerrieben sie mit den Händen und aßen sie. Da sagten einige Pharisäer: Was tut ihr da? Das ist doch am Sabbat verboten! Jesus erwiderte ihnen: Habt ihr nicht gelesen, was David getan hat, als er und seine Begleiter hungrig waren....?“ (Lk 6,1-5).

Es muss die Erfahrung von Jesus gewesen sein, dass die an „Recht und Gerechtigkeit“ orientierten Tugendkataloge der Pharisäer und Schriftgelehrten Menschen in ihrer Hilflosigkeit und Schuld mehr dazu brachten, gegen sich selber anzuleben und Opfer und Vorleistungen zu erbringen... und dass sie das alles gar nicht konnten. Jesus wollte: Statt Recht zu fordern, der Eine gegenüber dem Anderen, gilt es zu sehen, was Menschen nötig haben, um zu leben... Er möchte uns „zurückholen“ in jene Art des Vertrauens, wie Kinder mit ihrer Mutter oder ihrem Vater reden: Lieber Vater im Himmel...

Als Jesus am Sabbat einen Mann heilte, fragte er die „von sinnloser Wut erfüllten“ (Lk 6,11) Pharisäer und Schriftgelehrten: „Was ist am Sabbat erlaubt: Gutes tun oder Böses, ein Leben zu retten oder es zugrunde gehen zu lassen?“ (Lk 6,10). – Nicht seinem eigenen Volk hat Jesus widersprechen, sondern die Menschen seiner Zeit (und alle Menschen) neu bestärken wollen, tiefer zu vertrauen und unbefangener zu leben.

Manfred Reichgeld (24.04.15)

Auf ein Wort 2014

Weihnachten 2014

Eine Nacht wie jede andere. Müde sitzen die Hirten um ihr Feuer. Von Weihnachten keine Spur... Wenig später sind sie unterwegs nach Bethlehem. Was sie dort erleben, kehrt alle Erfahrungen um: „Fürchtet euch nicht“, hatte der Engel zu ihnen gesagt, „denn euch ist heute der Heiland, der Retter geboren!“

„Fürchtet euch nicht.“ Was für ein Wort für die Hirten damals und für uns heute! Ein Leben ohne Furcht und Angst vor Neid und Misstrauen, ein Leben ohne Angst vor Fehlern und Versagen, ... Das kommt den Hirten wie ein Wunder vor: Fürchtet euch nicht. Und als sie wieder heimkehrten, da priesen und lobten sie Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gesagt war.

Gesehen und gehört hatten die Hirten eine wirkliche Weih-Nacht, den göttlichen Anfang zu einem neuen Leben. Mit dem Anblick des Kindes in der Krippe spüren sie: der Gott des Lebens und der Liebe ist mit uns in unseren Ängsten und Nöten, unseren Träumen und Hoffnungen, in dem, was uns gelingt und in unserem Versagen. Wir sind Menschen göttlichen Wohlwollens. Gott ist in uns.

„Fürchtet euch nicht; denn euch ist heute der Heiland, der Retter geboren!“ Das ist die Botschaft von Bethlehem, die wir wie die Hirten damals „sehen und hören“ können, die uns anbietet und aufgibt, umzukehren und in der Liebe zu wachsen.
Manfred Reichgeld (07.12.14)


Handeln statt reden

Ein Mann ging am Strand entlang und sah, wie ein Junge Seesterne ins Meer warf. Millionen von Seesternen lagen dort auf dem Trockenen. „Was soll denn das groß ändern“, fragte er ihn, „wenn du immer nur einen Seestern nach dem anderen hineinwirfst?“ Der Junge hob einfach den nächsten auf und sagte: „Für den hier wird sich sehr viel ändern.“

Nicht selten stehen wir vor einer ähnlichen Situation. Was können wir schon ändern? Mit dem freundlichen Lächeln und der kleinen Hilfe bewegen wir doch nichts – und nehmen die Dinge nicht so oder so ihren Lauf? Die Antwort Jesu auf diese Frage ist eindeutig: „Was ihr dem geringsten meiner Brüder tut, das habt ihr mir getan.“ Vor Gott zählt allein die Art der Menschlichkeit, die Blinde sehen und Lahme gehen lässt (Jes 35,5.6) – es zählt, ob wir handeln statt reden, andere mitnehmen und teilen, gemeinsam unterwegs sind und die leeren Worte mit Leben füllen.

Unserem Zögern und unserer Mutlosigkeit stellt Jesus entgegen: Wer gibt und teilt, dient und sich einsetzt, mutiger zu hoffen und intensiver zu lieben wagt, wird alles gewinnen. – Bildlich gesprochen und der kleinen Geschichte zufolge: Jesus möchte, dass wir die auf dem Trockenen liegenden Seesterne ins Wasser zurückwerfen – auch wenn es nur wenige sind.
Manfred Reichgeld (17.11.14)


Die Antwort auf unsere Fragen

Im Lukas-Evangelium (4, 1-13) wird erzählt, dass der Teufel Jesus in der Wüste in Versuchung führen wollte: „Wenn du Gottes Sohn bist, so befiehl diesem Stein, zu Brot zu werden.“ – Jesus antwortet: „Nicht nur vom Brot lebt der Mensch, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt (Mt 4, 4b).

Der Versuch, Jesus zu überreden, Gottes Willen der eigenen Not anzupassen, scheitert. Jesus verweist auf den, dem die Macht und die Herrlichkeit gebührt: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, anbeten und ihm allein dienen.“ Die Versuchung Jesu ist auch unsere Versuchung. Bestehen werden wir sie nur, wenn wir glaubend und hoffend an Gott festhalten.

„Und führe uns nicht in Versuchung...“, beten wir im Vaterunser. D.h.: Sei bei uns, Herr, in der Bedrängnis und stärke uns, damit Glaube, Hoffnung und Liebe in uns wachsen und wir den vielen (kleinen) Versuchungen widerstehen – der Bequemlichkeit und dem Ehrgeiz und dem Zwang, erfolgreich zu sein...

Gütiger Gott, Dein Wort ist das wahre Brot, von dem wir leben. Du bist die Antwort auf unsere Fragen und die Kraft, die sich in allem regt; du bist die unsichtbare Hand, der wir vertrauen.
Manfred Reichgeld (27.10.14)


Die Mitte der Zeit

Wir Menschen leben in Zeit und Raum, blicken zurück auf das, was war, und mehr noch sind wir auf der Suche nach unserer Zukunft. Im Vertrauen auf die in Jesus verbürgte Verheißung Gottes wissen wir, wer alles Zukünftige in Händen hält: Der am Anfang war, wird über alle Zeit hinaus auch das Ende bestimmen.

Mit dem in der „Mitte der Zeit“ erschienenen Gottessohn ist menschliches Zeitmaß mit den immer neu sich wiederholenden Naturabläufen aufgehoben und durch die Zeitgabe Gottes ersetzt. Jeder Tag wird jetzt zu einem einmaligen, einzigartigen Geschehen, bleibend und in die Zukunft bestimmt. Nicht „nach ewig ehernen Gesetzen“, wie Goethe meinte, ohne Mitte und ohne Anfang und Ende, leben wir, sondern unumkehrbar auf jenes ‚Du’ hin, das wir Gott nennen.

Vertrauen wir der göttlichen Verheißung: Mit Ostern ist der Kreislauf von Stirb und Werde für immer unterbrochen: Wir sind nicht mehr der Schöpfung unterworfen und ihren Gesetzen, weil wir die Zukunft nicht mehr suchen müssen. In Gal. 5,1 und 13 heißt es: „Zur Freiheit seid ihr berufen... Lasst euch nicht wieder unter das knechtische Joch fangen.“
Manfred Reichgeld (17. September 14)



Was soll ich tun, ...?

Ich möchte Sie einladen, sich auf die folgende „Geschichte“ einzulassen:

Ein Mädchen – 6 Jahre alt – fragt: „Jesus, was soll ich tun, dass es dir gefällt? Ich bete jeden Abend, bevor ich zu Bett gehe, und auch morgens, wenn ich aufstehe. Meine Mama erzählt mir von dir und wir reden über dich...“

Die Antwort Jesu könnte sein: „Ich will dir eine Geschichte erzählen. – Eine Häsin lag krank in ihrer Höhle und die jungen Hasen tobten in der Küche herum. Der Igel kam vorbei und sagte: Kopf hoch, das wird schon wieder! Die Feldmaus grüßte freundlich und wünschte einen schönen Tag. Die alte Elster meinte: Kommt Zeit, kommt Rat. Die Häsin war nur verbittert und dachte: Warum reden alle einen solchen Unsinn. Da kamen die Ameisen, stellten Feldblumen auf den Tisch, versorgten die jungen Hasen und räumten die Küche auf. Leise, wie sie gekommen waren, gingen sie wieder. – Nun schöpfte die Häsin neue Hoffnung.“

So wie sich die Gleichnisse Jesu im Neuen Testament selbst erklären und nicht „übersetzt“ werden müssen, so verstehen Kinder bildhafte und uneigentliche Sprache. Es sind die eigenen Vorbehalte, die uns darin hindern, immer mehr der „Ahnkraft der kindlichen Seele“ zu vertrauen.
Manfred Reichgeld (22. Juli 14)


Entfalten, was wir sind
Im Matthäus-Evangelium (25,14-30) erzählt Jesus von einem Knecht, der von seinem Herrn ein Talent Silbergeld erhält, um es bis zu seiner Rückkehr zu verwalten... Zuletzt gefragt, was er mit dem Geld angefangen habe, antwortet der Knecht: „Weil ich Angst hatte, habe ich dein Geld in der Erde versteckt. Hier hast du es wieder.“

Wie in anderen Gleichnissen auch greift Jesus ein Grundthema menschlichen Verhaltens auf. Es geht um die Frage, wie wir mit Angst und Minderwertigkeitsgefühlen umgehen, ob wir „aus lauter Angst“, etwas falsch zu machen, am Ende gar nichts mehr tun, mutlos werden oder resignieren – nur um dann gänzlich mit leeren Händen dazustehen.

Dem Gleichnis zufolge sagt Jesus: Es geht nicht darum zu fragen, ob der andere jeweils „besser“ oder „schlechter“ ist als man selbst... Der lähmenden Angst entrinnen wir nur, wenn wir uns darauf besinnen, wer wir selbst sind, über welche Gaben wir verfügen – und mögen sie auch noch so gering sein.

Gott wird niemals mehr von uns verlangen, als er uns gegeben hat. Nicht wie die anderen sollen wir werden, sondern das entfalten, was wir selber sind.
Manfred Reichgeld (04.06.14)


Ostern 2014

Ostern: Jesus lebt. Was für „den Ersten der Entschlafenen“ (1 Kor 15,20) gilt, gilt für alle, die nach ihm kommen. Wir gehen der Vollendung in der göttlichen Liebe entgegen. Über Zeit und Raum hinaus hat unser Leben eine ewige Zukunft.
Jesus lebt – und mit ihm leben auch wir. Die alten Aufspaltungen gibt es nicht mehr – nicht ein Reich des Himmels und ein Reich der Erde, sondern „nur ein einziges Reich der Seele, erfüllt von den Träumen einer himmlischen Poesie der Barmherzigkeit und Güte“.

Unsere Einstellung zu dem, was sein wird, hat mit der Liebe zu tun, die wir als höchstes Glück selber erfahren und weitergeben. Zu lieben und geliebt zu werden, lässt uns das Licht und die Weite erahnen, die wir hinter allen Grenzen glauben: „aufgehobenes Leben in Gott“. – Ist es nicht so, dass letztlich der Glaube an die Unsterblichkeit uns erst zur Liebe befähigt?

Die Auferstehung Jesu in das Leben Gottes verheißt, dass Gott in Ewigkeit möchte, dass wir sind. – Nur dieses irdische Leben ohne Hoffnung über den Tag hinaus... anders müssten wir leben und alles tun, um uns die Gedanken an den Tod aus unserem Denken zu vertreiben.
Manfred Reichgeld (18.04.14)



Mein Sohn bist du

Jesus stellt uns die befreiende und heilende Liebe Gottes vor Augen.

Im Markus-Evangelium (2, 1-12) wird die Wundergeschichte von der Heilung des Gelähmten in Kapharnaum erzählt: ...“Als nun Jesus ihren Glauben sah, sprach er zu dem Gelähmten: Mein Sohn, deine Sünden sind dir (von Gott) vergeben...“

Mit diesen Worten löst Jesus die Fesseln der inneren und äußeren Lähmung. Nicht „du sollst“ oder „du musst“ sagt er, sondern: Im voraus und zu allem, was auch geschehen mag, hat dir Gott vergeben.
Das ist der Weg, Zuversicht zu gewinnen, selber zu sehen und wider aller Bedrängnis der eigenen Einsicht zu folgen.
„Mein Sohn“ sagt Jesus zu dem Gelähmten – so wie er zuvor selbst in der Taufszene am Jordan von Gott angesprochen wurde: „Mein Sohn bist du“ (Mk 1, 11). Jesus stellt uns den gütigen, vergebenden Gott vor Augen, seine befreiende und heilende Liebe, die versteht und vergibt und jedem einzelnen Menschen grenzenlos zugetan ist.
„Steh auf, nimm dein Bett und geh heim“, sprach Jesus zu dem Gelähmten. Und er stand auf, nahm sein Bett und ging alsbald hinaus vor aller Augen.
Manfred Reichgeld (12.03.14)



Beten lernen

„Beten lernt niemand durch Wissen und Können, sondern durch Erfahren und Leben... Selbst musst du in den Brunnen springen, die Tiefe wagen, den inneren Raum und die innere Zeit entdecken!“ (Hubertus Halbfas).

Vielleicht ist es diese „überbilderte Sprache“, die gerade nicht zeigt, wie wir beten lernen. – Alles Leben ist ein Gebet: mein Denken und Fühlen, was ich tue und was mir nicht gelingt, die wenig geglückten und die hilflosen Versuche in den unterschiedlichsten Situationen des Lebens in Worte zu fassen - was uns bewegt und erfreut oder hoffnungslos erscheint. Es gibt kein Maß und keine Norm, die zuhanden sein müsste, um unser Reden und Denken als Gebet zu bezeichnen.

Der Gott des Lebens und der Liebe, an den wir glauben, ist „nur ein Gedanke weit“. Das ist der „innere Raum“ unseres Betens. Ob in „schöne Verse“ gefasst oder als Klage oder Dank formuliert – immer kommt es „in der frommen Erhebung des Menschen zu Gott“ darauf an, dass dem, was wir denken und reden, unser Tun entspricht – für andere und für uns selbst.

Wir lernen beten, wenn es uns immer mehr gelingt, uns nicht selber im Wege zu stehen und Schatten zu werfen auf andere. In der Weise, in der wir uns „menschlich“ begegnen, mit Respekt und Ehrfurcht und auch mit Mitleid, ist unser Leben ein Gebet, wie es Gott wohlgefällt.
Manfred Reichgeld (10.01.14)

Auf ein Wort - 2013

Weihnachten 2013
Vor 2000 Jahren: Maria und Josef unterwegs, für sich und das ungeborene Kind eine Herberge suchend. Sie stehen vor verschlossenen und zugeschlagenen Türen. Für die dahinter ist das allemal bequemer und unverfänglicher, sicherer zumal.

2013: Zwei „obdachlose“ junge Menschen draußen vor der Tür – die Situation ganz ähnlich: Kälte und Unverständnis schlägt ihnen entgegen und die belehrenden Reden, die nicht weiterhelfen, Fragen, die unbeantwortet bleiben, der Blick zurück... Aussichtslos? – Wenn Menschen sich lieben, schützen, Halt geben, sich nicht loslassen und gemeinsam unterwegs sind, widerstehen sie aller Hoffnungslosigkeit und Kälte, wie damals...

Weihnachten ist zuerst von der Freude die Rede, die der Engel verkündet, allen – und nicht nur denen, die einen verdreckten und unbehausten Stall niemals betreten würden. Freude für alle... Ist das nicht Anspruch und Auftrag an die, die auf ihrem Weg durch die Zeit sorgloser und weniger aufgeregt zurück- und nach vorne blicken können?

Weihnachten – das ist die Hoffnung, dass das Licht die Nacht und die Liebe den Hass endgültig besiegen wird.

Manfred Reichgeld (16.12.13)


Unterschiede aufheben
Zu allen Zeiten – Jahrtausende vor Christi Geburt und auch 2000 Jahre danach – gab es Armut, Krankheit, Gefangenschaft, Fremdheit und die anderen Formen menschlicher Not. Wirklich verändert hat sich bis heute wenig. Nach wie vor fühlen sich Menschen körperlich und seelisch „arm, krank, fremd und gefangen“.

Dem stellt Jesus entgegen (Mt 25, 35-36): „Hungrig war ich, und ihr gabt mir zu essen, durstig war ich, und ihr ließet mich trinken, ein Fremder war ich, und ihr führtet mich ein, ...“ „Amen ich sage euch: Was ihr für einen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“ (MT 25,40).

Mit „Gefangene besuchen“ meint Jesus, dass wir die uns trennenden inneren und äußeren Zäune und Absperrungen überwinden; Unrecht als Unrecht benennen und ihm entgegentreten; die Grenzziehungen zwischen den „Guten“ und den „Bösen“ beseitigen, ... Wenn es uns immer mehr gelingt, die Unterschiede zwischen den Gewinnern und Verlierern aufzuheben, folgen wir dem, was Jesus sagt: „Gebt ihr ihnen zu essen.“

Manfred Reichgeld (13.11.13)


Siebenmal?
Petrus trat zu Jesus und fragte: „Herr, wie oft muss ich meinem Bruder vergeben, wenn er sich gegen mich versündigt? Siebenmal?“ Jesus sagte zu ihm: „nicht siebenmal, sondern siebenundsiebzigmal.“ (Mt 18, 21-22)
Das verstanden nicht alle. Dem aufrechnenden Denken der Pharisäer und Schriftgelehrten stellt Jesus die vergebende Liebe Gottes entgegen: „Zur Freiheit seid ihr berufen... Lasst euch niemals mehr unter das knechtische Joch fangen... Anders als es das mosaische Gesetz sagt, seid ihr in allem angenommen.“

Vergebung... Es geht darum, die Unterschiede zwischen den Gewinnern und den Verlierern aufzuheben... nicht das eigene Recht zu behaupten, sondern um das „Absehen“ davon, um das „Hinsehen“ auf die Not des Anderen, das verstehen und helfen will und nicht nach Wiedergutmachung oder Strafe verlangt.

So ist Jesus den Menschen seiner Zeit begegnet. Er lädt uns ein, es ihm gleich zu tun: ... hinsehen... absehen... neu beginnen. „Nicht siebenmal, sondern siebenundsiebzigmal.“

Manfred Reichgeld (15.10.13)


Wahr werden
Im 8. Kapitel des Markus-Evangeliums wird von der „Speisung der Viertausend“ erzählt (Mk 8,1-10): ... Die Menschen hatten schon drei Tage nichts mehr zu essen... Jesus nahm die sieben Brote, sprach das Dankgebet und gab sie seinen Jüngern zum Verteilen... Die Leute aßen und wurden satt... Es waren etwa viertausend Menschen beisammen... Die übrig gebliebenen Brotstücke füllten sieben Körbe...

Bei dieser und den anderen Wundererzählungen des Neuen Testaments stellt sich sogleich die Frage: Wie wahr und wirklich ist das, was hier erzählt wird? Ist das alles Wort für Wort zu verstehen? Handelt es sich um Bilder und Symbole, die zu entschlüsseln und zu übersetzen sind? Die Antworten auf diese und weitere Fragen können unterschiedlich sein, z.B.: „Wie ‚wahr’ Erzählungen dieser Art sind, entscheidet sich nicht daran, ob sie ‚historisch passiert’ sind, geschichtlich wahr werden solche Geschichten allein dadurch, dass wir sie wahr machen“ (E.D.). Oder: Es wäre ein Wunder, wenn uns immer mehr die Verwandlung vom Haben zum Teilen gelänge. Dann ginge die Brotvermehrung weiter.

In Mk 6,35-44 sagt Jesus zu seinen Jüngern: „Gebt ihr ihnen zu essen.“ Ist dies nicht die zeitlos gültige Option der Wundererzählung, die wahr wird, wenn wir dies wollen?

Manfred Reichgeld (23.09.13)


Ich bin es

Im 6. Kapitel des Johannes-Evangeliums wird vom „Gang Jesu auf dem Wasser“ erzählt (Joh 6,16-21):
... Als es schon spät geworden war, fuhren die Jünger mit einem Boot über den See auf Kafarnaum zu... Da wurde das Wasser durch einen heftigen Sturm aufgewühlt... Die Jünger fürchteten sich, als sie sahen, dass Jesus über den See ging und sich dem Boot näherte... Er aber rief ihnen zu: Ich bin es; fürchtet euch nicht...

„Ich bin“ sind die Worte, mit denen im Alten Testament sich Gott zu erkennen gibt – als Grund unseres Dasein, als Ort der Zuflucht und des Geborgenseins. Außer diesem „Ich bin“ gibt es keinen festen Grund unter unseren Füßen. Vor allen Seiten sind wir von den Vergänglichkeiten einer endlichen Welt umgeben. Allein die Hoffnung und das Vertrauen, die wir dem entgegenbringen, der vom anderen Ufer auf uns zukommt und seine Hand nach uns ausstreckt, bewahrt uns vor dem Abgrund.

„Versinkende oder Gerettete – nur eins von beiden können wir sein. Je nach dem, ob sich unser Leben gestaltet aus Angst oder Vertrauen, verschlingt uns ‚das Meer’ oder wir gehen darüber hinweg“ (E.D.).

Manfred Reichgeld (16.08.13)



Die Wahrheit leben
Die Texte des Neuen Testaments erzählen immer wieder davon, dass Jesus den Menschen seiner Zeit (und aller Zeit) einen Gott nahe bringen wollte, der ohne Vorleistung alle Schuld vergibt. Ein für allemal sollen Menschen in Freiheit die Wahrheit leben, die in ihnen liegt.

Die Botschaft Jesu vom Reich Gottes auf Erden schließt niemanden aus. Die Hoffnungslosen und Ausgegrenzten lädt er an seinen Tisch, gegen die Angst und die Zweifel setzt Jesus den Geist der Freiheit und der Güte. Durch die Kraft seines unbedingten Vertrauens in die grenzenlose Liebe Gottes werden Kranke heil an Leib und Seele: die Gelähmten stehen auf und die Blinden lernen wieder, sich und die anderen zu sehen...

Jesus wollte nicht anders von Gott zu den Menschen reden, als dass darunter sich Verlorenheit, Verzweiflung und Einsamkeit öffnen ließen zu einer Form der Selbstannahme, des Vertrauens und einer neuen Beziehung zu sich selber und zu anderen Menschen. Statt mit moralischem Anspruch ihre Fehler und Verfehlungen zu verurteilen, sieht Jesus auf das, was Menschen nötig haben, um so zu leben, wie Gott sie gemeint hat.

Manfred Reichgeld (03.06.13)



Verurteilt nicht, ...
In nicht wenigen Texten des Neuen Testaments erfahren wir, dass sich Menschen in die Nähe Jesu getrauten, die von den Schriftgelehrten und Gesetzeslehrern nichts als Ablehnung erwarten konnten. So auch in Lk 7, 36-50: Die Begegnung Jesu mit der Sünderin.

In dem Vertrauen, nicht zurückgewiesen zu werden, betritt die von allen „Anständigen“ Gemiedene das Haus eines Pharisäers, der Jesus zum Essen eingeladen hatte. Mit wohlriechendem Öl kommt die Frau zu Jesus, trocknet seine Füße mit ihrem Haar und salbt sie mit dem Öl. – Eine solche Berührung durch eine Sündern macht unrein - so steht es im Gesetz der Juden. Und wer gegen das Gesetz verstößt, ...
Dem entgegen steht die Vision Jesu von einem neuen Anfang: Vergeben statt verurteilen, verstehen statt aufrechnen und der Blick nach innen, der uns vor uns selbst bringt.

Der Pharisäer („und alle Pharisäer“) verstehen nicht, dass sich Jesus weigert, Menschen zu verurteilen oder auszuschließen und der Wert einer Handlung allein von der Gesinnung der Handelnden abhängt. - „Dir sind deine Sünden vergeben“, sagte Jesus zu der Frau. Und die, die dabei waren, dachten: „Wer ist das, dass er sogar Sünden vergibt?“

Manfred Reichgeld (13.05.13)



Spiegel der Ewigkeit
In seinem Brief an die Galater schreibt der Apostel Paulus: „Zur Freiheit hat uns Christus befreit. Bleibt daher fest und lasst euch nicht von neuem das Joch der Knechtschaft auflegen“ (Gal 5,1). Dem Wort Jesu zufolge entsteht „innere Freiheit“ wider alle Angst und wider die Verstellungen des Lebens zuerst dadurch, dass wir dem wahren Bild unseres Selbst nachgehen und der ewigen Liebe vertrauen, die uns ins Dasein rief.

Die Selige Maria Katharina Kasper (Stifterin der Genossenschaft der Armen Dienstmägde Jesu Christi – ADJC) schrieb um 1880 ihren Mitschwestern: „Wir sind ja nur auf der Welt, um uns auf den Himmel vorzubereiten.“ Ist das die Freiheit, die Jesus meint? Wir neigen mehr der folgenden Einschätzung zu: „Das irdische Leben ist keine Hürde auf dem Weg zum Himmel, die man überspringen müsste, es ist der Spiegel der Ewigkeit, den es möglichst intensiv zu betrachten gilt, weil in ihm alles aufscheint, was wir von Gott auf Erden je erkennen können“ (E.D.).

Papst Johannes Paul II. in einem Schreiben an die Jugendlichen in der Welt: „Das Christentum lehrt die Vergänglichkeit vom Blick auf das Reich Gottes zu verstehen, vom Blick auf das ewige Leben. Ohne dies bringt das vergängliche Leben, und sei es noch so reich und in jeder Hinsicht gelungen, dem Menschen schließlich doch nichts anderes als die unausweichliche Notwendigkeit des Todes.“

Manfred Reichgeld (29.04.13)



Ostern: Jesus lebt
Im 20. Kapitel des Johannes-Evangeliums wird erzählt, dass Maria aus Magdala am ersten Tag der Woche frühmorgens zum Grab kommt und sieht, dass es leer ist... Jesus spricht zu ihr: Frau, was weinst du? Wen suchst du? Er spricht sie mit ihrem Namen an: Maria, geh zu meinen Brüdern und sage ihnen: Ich gehe hinauf zu meinem Vater und zu eurem Vater, zu meinem Gott und zu eurem Gott.

Maria – das ist in dieser Ostergeschichte der Name einer jeden und eines jeden von uns – ausgesprochen von dem, der den Tod überwunden hat, der lebt und hinfort nicht stirbt: „Ich bin die Auferstehung und das Leben. Wer an mich glaubt, der wird leben. Und wer da lebt und glaubt an mich, der wird nie mehr sterben.“

In unserer täglichen Erfahrung ist es gar nicht vorstellbar, dass wir uns nicht „umwenden“, wenn uns einer überraschend beim Namen ruft... Er ruft, der auferstandene Christus ruft. Werden wir uns umwenden – wie Maria aus Magdala, die gehört und geglaubt hat? Jesus spricht zu ihr: Maria! Hier geschieht, was der Prophet Jesaja als Gottes Wort an Israel bezeugt: „Fürchte dich nicht. Ich habe dich erlöst. Ich habe dich bei deinem Namen gerufen. Du bist mein!“

Durch die Auferstehung Jesu gehören wir ganz und gar zu Gott. Ostern – das verspricht uns, dass wir Jesu Schwestern und Brüder geworden sind, Gottes Söhne und Töchter.

Manfred Reichgeld (26.03.13)



Begnadete
Das ist die Botschaft, die Jesus in die Dörfer Galiläas getragen hat: Ihr seid nicht Verurteilte, sondern Begnadete. „Nicht Knechte seid ihr, sondern Kinder Gottes“ wird Paulus später in seinem Brief an die Galater schreiben (Gal 3,26; 4,7).

Das steht dem entgegen, was die Schriftgelehrten und Gesetzeslehrer als rechtes Handeln, als Lohn für das Gute und Strafe für das Böse benannten. Die Güte Gottes begründet sich nicht als Anerkennung für das Rechtverhalten des Menschen, so wie die Juden glaubten, sondern sie ist die Voraussetzung für menschliches Leben überhaupt. Indem Jesus die Verlorenen zurückzuführen sucht und sich den Gescheiterten zuwendet, stellt er sich gleichsam in einen tödlichen Widerspruch zu den religiösen Autoritäten seiner Zeit.

Um dem Vorwurf zu begegnen, er halte Mahlgemeinschaft mit Zöllnern und Sündern, sagt Jesus schon zu Beginn des Markus-Evangeliums (2,17): „Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken. Ich bin gekommen, um die Sünder zu rufen, nicht die Gerechten.“

„Ihr seid Kinder Gottes.“ Es kann gar nichts geben, was tröstender, befreiender und heilender wäre als dieses Wort, das alle Fragen löst.
Manfred Reichgeld (15.02.13)


Aus anderer Sicht

Nicht wenige Probleme und Irritationen in unserem Leben entstehen dadurch, dass wir unsere Sicht der Dinge als die richtige oder allein mögliche behaupten. Wenn wir auf dem eigenen Recht bestehen, wie selbstverständlich entsprechende Reaktionen erwarten und alles andere nicht vorstellbar erscheint, ist dies nur die eine Seite – unvollständig und konfliktträchtig zugleich. Gelingt es uns aber, die eigene Befindlichkeit (auch) aus anderer Sicht zu denken, entstehen neue Perspektiven und tieferes Verstehen…

Nehmen wir die eigene Situation aus der „Sicht Gottes“ an – „Ich bin bei euch...“ -, relativieren sich Sorgen und Ängste und das, was uns bedrängt und unvollkommen erscheint. „Ich habe dich bei deinem Namen gerufen… Ich bin die Wahrheit und das Leben… Ihr seid das Salz der Erde… Wo ich bin, da werdet auch ihr sein…“

Das sind nicht unverbindliche Reden oder literarische Entwürfe von irgendwem, sondern konkrete Angebote und Antworten Gottes in der Botschaft Jesu. Indem wir dem glaubend und hoffend folgen, begeben wir uns in eine (innere) Wirklichkeit, die „wahrer“ ist als das, was uns sichtbar vor Augen kommt. „Wahrer“ meint auch, was uns aufhilft und stärkt und offener macht „auf ein Du und ein Wir hin“.
Manfred Reichgeld (21.01.13)

Weihnachten 2012

Weihnachten ... Bethlehem .... das neugeborene Kind in der Krippe, von dem in Kol 1,12-20 gesagt wird: „Er (Christus) ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, der Erstgeborene der ganzen Schöpfung.“

Wie in Bildern Unsichtbares sichtbar werden kann, so ist in Jesus das Geheimnis, das wir Gott nennen, sichtbar geworden – und greifbar in dem, was uns der unbegreifliche Gott des Lebens und der Liebe zugedacht hat: „In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen, und das Licht leuchtet in der Finsternis...“ In Bethlehem wird endgültig sichtbar, wer und wie Gott ist und wie er uns von Anfang an gedacht und gewollt hat: frei und gleich und geschwisterlich.

Tief in unserem Innern lebt der Traum, wenn doch immer mehr wahr würde, was mit der Menschwerdung Gottes in Bethlehem begonnen hat... – Weihnachten: der unsichtbar Gott tritt an unsere Seite und bietet uns an: Ich bin bei dir, jetzt und über alle Zeit hinaus.

Von dieser Hoffnung leben wir: Niemals mehr wird das Licht von Bethlehem verlöschen – und nicht verstummen werden die verborgenen Sprachen zwischen Himmel und Erde.
Manfred Reichgeld (19.12.12)



Aus sich selbst
Gott, der aus sich selbst lebt... das ist unsere Antwort auf die Frage, woher wir kommen und wohin wir gehen. – Als Menschen sind wird endliche Wesen – abhängig, bedroht und begrenzt in Zeit und Raum. Von daher begründet sich unsere Sehnsucht und die Hoffnung nach dem Unbedingten und dem Unendlichen, nach dem Licht in der Finsternis.
Es gibt Situationen und Momente in unserem Leben, wenn wir z.B. entdecken, wie in einem geliebten Menschen alles neu werden kann, in denen wir ahnen, wohin wir mitten in der Zeit an die Ewigkeit rührend, glaubend und hoffend unterwegs sind. Allein in Gottes unbegreifliche Wirklichkeit ist ein unbedingtes Vertrauen in den Sinn des Lebens und der Welt möglich.

ER ist die Antwort auf unsere Nöte und Ängste und die Ungesichertheit unseres Daseins, wenn sich zuletzt unausweichlich die Frage stellt: Wer bin ich; wo finde ich Sinn und Halt? Am deutlichsten hat der Gott, an den wir glauben, sein inneres Geheimnis offenbart in und durch Jesus, dem wir vertrauen, wenn er uns auf seinen Weg einlädt: „Ich gehe voraus, um euch eine Wohnung zu bereiten.“ Manfred Reichgeld (26.11.12)



Verstehen
Wir können nichts wahrnehmen, wofür wir keine Sprache haben.

Auf die Frage, wie die Texte des Neuen Testaments „am besten“ zu verstehen seien, gibt es unterschiedliche Antworten: So oder so und je nach dem, was wir darin suchen, werden wir uns den sprachlichen Bildern und der uneigentlichen Rede (z.B. in den Gleichnissen Jesu) zu nähern suchen.

„Vom Papier“ redet die Sprache nur sehr verhalten; erst wenn wir sie mitnehmen zu den Stationen unseres täglichen Erlebens, blüht sie auf, kann sich entfalten und lässt uns Neues wahrnehmen und zugleich Sprache dafür finden.

„Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben...“ Die Worte Jesu können dann anders als vom Papier zu uns reden, wenn wir sie im Kopf mit uns herumtragen („in deinem Munde und in deinem Herzen“). Gemeint ist nicht ein sinnleeres Einprägen der Worte und Bilder, sondern ein „learning by heart“.

So kann es zu einem elementaren Verstehen kommen - und anders als bei der methodisch-wissenschaftlichen Arbeit am Text entsteht hier nicht Distanz, sondern Offenheit für das, was man (bildhaft) die verborgenen Sprachen zwischen Himmel und Erde nennen kann.
Manfred Reichgeld (09.10.12)



Frei und erlöst
Wer selbst innerlich frei und „erlöst“ ist, kann für andere befreiend und erlösend wirken...

In den Texten des Neuen Testaments wird deutlich, dass sich die wirklichen Fragen des Lebens nicht durch moralische Anweisungen und nicht „durch das Gesetz“ lösen lassen – so wie es die Pharisäer und Schriftgelehrten glaubten.

Es war die Erfahrung von Jesus, dass äußere Tugendkataloge, Postulate und Imperative Menschen in ihrer Entwicklung eher blockieren als sie voranbringen, und zwar nicht, weil die moralischen Zielsetzungen an sich selbst verkehrt wären, sondern weil sie immer weiter ins Unrecht setzen, wenn sie nicht erreicht werden: „Wer von euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein.“

Jesus wollte jedem Einzelnen den Wert und die Größe seiner eigenen Persönlichkeit wiederzuentdecken helfen – nicht fordern, sich intensiver, nützlicher oder sonst wie einer äußeren Ordnung anzupassen: „Der Sabbat ist für die Menschen da.“

Den Menschen damals in Galiläa und Jerusalem und uns heute sagt Jesus: Ich will, dass ihr eins seid und frei und euch entfaltet wie es eurem göttlichen Wesen entspricht. Vertraut eurem himmlischen Vater, der euch ins Leben rief und diesen Ruf niemals mehr zurücknimmt...
Manfred Reichgeld (28.08.12)


Principium
Wie begann alles... und wie war es am Anfang?
Wer kennt diese Fragen nicht und nicht die unterschiedlichen Antworten? Glaube und Wissenschaft bieten je andere Perspektiven in ihrem Blick auf die Wirklichkeit, ohne dass wir uns zugleich für das eine und gegen das andere entscheiden müssten.

Für den Glaubenden ist Gott nicht ein Glied in einer Argumentationskette, vielmehr „das, worüber hinaus Größeres nicht gedacht werden kann“ (Anselm von Canterbury). Das Besondere des religiösen Glaubens liegt im Vertrauen und in der Gewissheit, dass das, was uns unzugänglich bleibt und rätselhaft erscheinen mag, nicht zufällig entstanden oder allein physikalisch zu erklären ist – auch nicht biologisch oder sonst wie.

Wir glauben: Gott ist der Schöpfer des Himmels und der Erde, der Anfang allen Lebens, Alpha und Omega. – Für das deutsche Wort „Anfang“ gibt es im Lateinischen zwei Begriffe: „Initium“ und „principium“. Wenn wir von Gott und den Anfängen sprechen, dann meinen wir
„principium“: Gott – von Ewigkeit zu Ewigkeit.
(„Initium“ kann für den neuen Anfang stehen, den Gott den Menschen in Jesus zugedacht hat.)
Manfred Reichgeld (28.06.12)



Alles erwarten
Jesus sagt: Dem ihr vertraut, ist der Gott allen Trostes... seine Hand hält euch fest... ihr seid nicht allein.

Die Bibel ist ein Buch der Hoffnung. Schon in der Schöpfungsgeschichte geht es um die Frage, ob und wie es eine Zukunft gibt und wo die Kräfte zu suchen sind, die uns vor Chaos und Tod bewahren. Die prophetischen Visionen erhellen gleichsam die Finsternis und wenden sich wider die Angst und das Leid.

Vollends in der Rede Jesu wird die Hoffnung sichtbar, von der wir leben: Dem ihr vertraut, ist der „Gott allen Trostes“ (2. Kor. 1,3), „unser Erlöser“, das ist sein Name von Anfang an (Jes. 63,16), seine Hand hält mich fest (Ps. 63,9)...

In einer sehr schönen Weise zeichnet die Bergpredigt den neuen Weg des Lebens vor: „Selig, die arm sind vor Gott, denn ihnen gehört das Himmelreich.“ Gemeint sind Menschen, die wissen, dass sie vor Gott nichts vorweisen können, und die daher alles von Gott erwarten.

Darin besteht unsere Hoffnung – wir dürfen alles von Gott erwarten..., dass Gott unser Elend ansieht (Ps. 31,8), dass er mein Weinen hört (Ps. 6,9), dass er mich tröstet in Angst (Ps. 4,2). – Die Sprache der Bibel, das ist die Sprache der Hoffnung.
Manfred Reichgeld (01.Juni 12)


Ostern - Jesus lebt
Jesus lebt. Gott hat ihn bestätigt. Sein Wort ist wahr. Wir haben Anteil an seinem Leben. Mit ihm werden wir auferstehen. Alles wird neu... Das ist die Botschaft von Ostern, an die wir glauben.

Mit der Auferstehung Jesu ist alles anders geworden. Wir vertrauen seiner Zusage: Wie ich lebe, so werdet auch ihr leben. – Das Unbegreifliche suchen wir in sprachlichen und gemalten Bildern zu fassen, ohne dass wir je das „leere Grab“ (fotografisch) sichtbar machen könnten. Auferstehung ist kein Zurückkehren in irdisches Leben, sondern „aufgehobenes Leben“ in Gott hinein – Leben nach Art Gottes, jenseits von Raum und Zeit.

Auferstehen in das Leben Gottes... Das lässt sich nicht begreifen, das sehen wir nur mit unseren „inneren Augen“... Das Wesentliche ist unsichtbar... Darum sprechen die Jünger von „Erscheinungen“: Man erkennt ihn und erkennt ihn doch wieder nicht, man berührt ihn, und er ist doch unberührbar, er ist derselbe und doch ganz anders.

In einem modernen Bild versucht der Maler das Unsichtbare sichtbar zu machen: Jesus schwebt in einer riesigen Lichtsonne. Seine Gestalt geht selbst in Licht über und verliert alles Äußere... Das „Gottessymbol Lichtkreis“ sagt: Hier schmilzt der menschliche Leib in das Göttliche hinein.

Jesus lebt – mit ihm leben auch wir.
Manfred Reichgeld (Mai 2012)


Befreit
Wenn wir unsere Freiheit nach dem Willen Gottes für andere einsetzen, verlieren wir nichts, sondern werden selbst (mehr) frei und heil: „Dein Licht wird hervorbrechen; deine Wunden werden vernarben; deine Finsternis wird hell wie der Mittag“ (Jes 58, 9-10).

Der Prophet spricht von dem, was wir gewinnen, nicht von heroischen Taten und moralischen Appellen, die über den Tag hinaus keinen Bestand haben. – „Deine Wunden werden vernarben...“ Die eigenen Verwundungen und die anderer, die gibt es: Partner, die sich immer tiefer verletzen, Schuld, die uns ratlos macht und lähmt, Kinder, die nicht zu Welt kommen dürfen, ...

Und doch: Es gibt keinen Grund, dass wir uns – wie Adam – im Gebüsch verkriechen. Mitten in der Angst vor der Freiheit hören wir das Wort der Verheißung, dass wir nicht leer ausgehen werden, wenn wir die Liebe wagen: „Du gleichst einem bewässerten Garten, einer Quelle, die niemals versiegt“ (Jes 58,11).

Viele von uns können aus eigenen Erfahrungen bestätigen: Wo wir unser Ja zur Gerechtigkeit und zur Liebe gegen alle Zweifel und Widerstände durchgehalten haben, hat uns das nicht in die Sackgasse geführt, sondern zu einem neuen Anfang und zu größerer Freiheit. Zu dieser Freiheit sind wir von Gott berufen.
Manfred Reichgeld (16.04.12)


Der werfe den ersten Stein
„Verurteilt nicht, dann werdet
auch ihr nicht verurteilt werden.“
(Lk 6,37)

An einem Morgen auf dem Tempelplatz in Jerusalem bringen Schriftgelehrte und Pharisäer eine Frau zu Jesus, die sie als Ehebrecherin „auf frischer Tat“ ertappt haben und entsprechend der Vorschrift des mosaischen Gesetzes steinigen wollen (Joh 8,1-11).

„Nun, was sagst du?“, wird Jesus gefragt. Seine Antwort ist anders als die Umstehenden erwarten: Man soll ruhig dem Gesetz entsprechen, vorausgesetzt, es findet sich jemand, auf den das Urteil nicht selbst tödlich zurückfällt: „Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Stein auf sie.“

Nur mit dem, was die Gesetze und Vorschriften benennen, ist es nicht möglich, die Not und das Leid zu sehen, das der Situation/dem Unrecht vorausgegangen ist... Vergeben statt verurteilen, verstehen statt aufrechnen – der Blick nach innen, der uns vor uns selbst bringt, das ist die Vision Jesu von einem neun Anfang.

„Ich verurteile dich nicht“, sagt Jesus zu der Frau, nachdem sich nach und nach die Schriftgelehrten und Pharisäer vom Ort des Geschehens entfernt hatten, „geh und sündige von jetzt an nicht mehr.“
Manfred Reichgeld (25.03.12)


Einander annehmen
So wie ihr in allem angenommen seid, sollt ihr auch einander annehmen... „Der Größte unter euch soll euer Diener sein“ (Mt 20,26)... In dem, was Jesus in sprachlichen Bildern und Gleichnissen sagt, lassen sich nicht Regeln und Vorschriften erkennen, die „de jure“ zu überprüfen oder einzufordern wären. Die Vision Jesu von einem neuen Anfang ist anders als das zuerst Sichtbare erfassende Denken der Pharisäer und Schriftgelehrten. „Einander annehmen“ lässt sich nicht in Gesetze und Rechte fassen und nicht so verhandeln wie die täglichen Dinge des Lebens.

Wir wissen: Auf dem eigenen Recht bestehen und das erlittene Unrecht mit der Forderung nach Wiedergutmachung oder Strafe zu verbinden, beseitigt nicht das Leid, es verschiebt es nur – und der Andere steht noch schlechter da als zuvor. – Ein neuer Anfang ist möglich, wenn es uns gelingt, auf das zu blicken und zu verstehen, was „der Situation“/dem Unrecht vorausgegangen ist, „hinzusehen“ auf mögliche Ursachen, Motive und Prägungen und „abzusehen“ von dem, was als einengend und demütigend empfunden wird.

So ist Jesus den Menschen seiner Zeit begegnet; er lädt uns ein, es ihm gleich zu tun: ... hinsehen ... absehen ... neu beginnen.
Manfred Reichgeld (05.03.12)


Es wird dir vergolten
In Lk 14, 12-14 sagt Jesus: „Wenn du ein Essen gibst, dann lade Arme, Krüppel, Lahme und Blinde ein. Du wirst selig sein, denn sie können es dir nicht vergelten; es wird dir vergolten werden bei der Auferstehung der Gerechten.“ - Das ist eine andere Perspektive als die, mit der Einladung an Verwandte und Nachbarn, zugleich mit deren Einladung den Ausgleich (oder Vorteil?) im Blick zu haben.

Geld macht nicht glücklich – sagt man. Das ist wohl wahr, solange man es für sich festhält, um damit Ruhe und Glück einzukaufen – und das zu suchen, was nicht zu finden ist. Dem, was Jesus sagt, zufolge: Geld und Besitz machen glücklich, ruhig und zufrieden, wenn wir dies und unsere Begabungen für andere Menschen einsetzen, ihnen in der Not helfen - und bei einer „Einladung“ nichts zurückerwarten. Es geht um menschliche Nähe und Wärme, nicht darum, zu messen und zu vergleichen und den eigenen Vorteil zu suchen.

Die Rede Jesu von den rechten Gästen meint auch: Wer die Grenzen zwischen „Haben“ und „Nicht-Haben“ überwindet, ist bei sich angekommen und der weiß, wer er ist und wo er hin will.
Manfred Reichgeld (09.02.2012)



Weihnachten
„Ein großes Licht ist heute auf Erden erschienen. Kommt, ihr Völker, und betet an den Herrn, unseren Gott.“ ... Das Unfassbare ist wahr: Gott kommt auf unsere Erde, um selber ihr Licht zu sein. – Das Kind in der Krippe ist das Licht des universalen Friedens, der Abglanz der Herrlichkeit Gottes und das Abbild seines Wesens (Hebr 1,3)... „das wahre Licht, das jeden Menschen erleuchtet“ (Joh 12,9).

Für die Hirten in Bethlehem und für uns ist es die Botschaft des Engels: Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter, der Heiland geboren; er ist der Messias, der Herr. Von dieser Hoffnung leben wir: Da ist jemand, der die Finsternis in und um uns erhellt, zugeschlagene Türen öffnet und heil macht, was unserer Sehnsucht nach Liebe und Geborgenheit entgegen steht.

Die Weihnachtsgeschichte erzählt, dass die Weisen auf einem anderen Weg in ihre Heimat zurückkehrten. Wer das Licht von Bethlehem gesehen hat, das menschliche Antlitz Gottes, kann nicht auf dem Weg bleiben, auf dem er gekommen ist.

Wenn es uns ein wenig und immer mehr gelingt, das empfangene Licht weiterzugeben, dann verwirklicht sich hier und über Zeit und Raum hinaus: „Allen aber, die ihn aufnahmen, gab er Macht, Kinder Gottes zu werden“ (Joh 1,12).
Manfred Reichgeld (21.12.11)



Licht in der Dunkelheit
„Als Jesus mit seinen Jüngern von Jericho aufbrach, saß ein blinder Bettler am Weg. Und als er hörte, es sei Jesus, fing er an zu schreien: Sohn Davids, Jesus, erbarme dich meiner...“ (Mk 10, 46-52).

Es ist die letzte Wunderheilung Jesu auf dem Weg nach Jerusalem, bevor sich dort verwirklicht, was dem Glaubenden Ostern zur endgültigen Gewissheit wird. – Unter den Umstehenden ist der Blinde der eigentlich Sehende. In Jesus erkennt er den Grund sein Hoffnung. Den, den andere nur äußerlich wahrnehmen, erfährt er als Licht und Perspektive in der ihn umgebenden (inneren und äußeren) Dunkelheit.

Daneben erscheint die Frage zweitrangig, ob wir eine solche Wunderheilung in unsere Wirklichkeit noch einbeziehen können. Tatsächlich gibt es Sehende, die nicht sehen, während der vermeintlich Blinde das Eigentliche, die innere Wirklichkeit zu erkennen vermag.

Die Geschichte geht weiter: „Da sprach Jesus zu ihm: Geh, dein Glaube hat dir geholfen. Und sogleich konnte er wieder sehen und folgte ihm auf dem Weg.“
Manfred Reichgeld (24.11.11)



Den Himmel offen sehen
Im 17. Kapitel des Matthäus-Evangeliums wird erzählt, dass Jesus Petrus, Jakobus und Johannes mitnahm auf einen hohen Berg. „Da warf eine leuchtende Wolke ihren Schatten auf sie, und aus der Wolke rief eine Stimme: Das ist mein geliebter Sohn, an dem ich Gefallen gefunden habe; auf ihn sollt ihr hören“ (Mt 17, 4,5).

Auf einem Berg ist man dem Himmel näher. Das haben Petrus, Jakobus und Johannes erlebt. Für einen Augenblick haben sie den Himmel offen gesehen; Gott selbst spricht zu ihnen. Hier wollen sie bleiben und dazugehören – das muss das Paradies sein.

Einmal – auch nur für einen kurzen Moment – in den offenen Himmel schauen, wie die Jünger Gottes Stimme hören und sehen, was er für uns bereit hält... Wäre das nicht die Erfüllung unserer Sehnsucht?

Gottes Stimme verweist die Jünger auf Jesus, auf ihn sollen sie hören. Auch wenn sie den Berg hinabsteigend jetzt in eine andere Wirklichkeit zurückkehren, haben sie gesehen, was sie einmal erwartet – für immer bei Gott zu sein, in seinem Licht und in seiner Liebe.
(Manfred Reichgeld 17.10.11)



Das Gleichnis vom Senfkorn
Ich möchte Sie bitten, sich gedanklich auf die folgende Situation einzulassen: Da spricht Sie jemand an: „Darf ich Ihnen etwas Schönes geben? Halten Sie bitte die Hand auf.“ Sie zögern vielleicht... und dann liegt in Ihrer offenen Hand ein Senfkörnlein, eine winzig kleine Perle – zu fühlen, aber nicht zu be-greifen...

„Das Himmelreich ... ist gleich einem Senfkorn“, sagt Jesus in einem Gleichnis ... „kleiner als alle anderen Samenarten. Wenn es aber herangewachsen ist, so ist es größer als die Gartengewächse und wird ein Baum.“ – Das winzige Senfkorn in der Hand; wir spüren, wie behutsam wir sein müssen, um es nicht zu verlieren – ähnlich wie alles Feine und Schöne, das zerbrechlich und leicht zu zerstören ist.

Am Anfang klein und unscheinbar – und dann, wenn sich in fruchtbarer Erde Leben in ihm entfaltet, wächst aus dem winzigen Samenkorn die größte aller Gartenstauden, „so dass die Vögel des Himmels kommen und in seinen Zweigen nisten.“

Das Senfkorn in der Hand, man fühlt fast nichts – und doch ist es wirklich. Wenn wir es in uns aufgehen lassen, dann sind wir wie ein Baum, der blüht und wächst von Jahr zu Jahr, den Menschen und dem Himmel nah.
(Manfred Reichgeld 20.09.11)



Zerbrechlich und leicht zu zerstören

In faszinierenden Bildern erzählt das Märchen „Die Seele des Wals“ von einer „inneren Mitte“, die nicht angetastet werden darf, wenn nicht zugleich das neu gewonnene Glück zweier Menschen zerstört werden soll: Als dann der Mann aus bloßer Neugier die brennende Lampe berührt, wandelt sich das schöne, helle Haus in Blut und Finsternis. Er wusste nicht, dass das Feine und Schöne auch zerbrechlich, vergänglich und leicht zu vernichten ist, denn er selbst war dumm und von zähem Leben.

„Du darfst niemals meine Lampe anrühren“, hatte die Frau gesagt und damit das Geheimnis des eigenen und ihres Mannes Lebensglücks beschrieben. Die Lampe steht hier für die Tabuzonen in menschlichen Beziehungen, die wir nicht ohne Schaden oder Verlust berühren dürfen. Die Geschichte endet: „Er sprach gar nicht davon, dass er etwas Feines und Schönes zerstört hatte; er prahlte nur überheblich. Und er wurde ein großer Mann unter den Menschen.“

Ähnlich erzählt auch das „Märchen vom Korb mit den wunderbaren Sachen“ von einer „sensiblen Mitte“, von zerbrochenem Glück und leichtfertig zerstörter Liebe: „Niemals darfst du in diesen Korb schauen“, hatte die Frau zu ihrem Mann gesagt, „und wenn du es doch tust, wird uns großes Unglück treffen.“ – Ist dies nicht auch das Motiv der Sündenfallerzählung im Alten Testament?
Manfred Reichgeld (30.08.11)



Die eigene Mitte finden
In nicht wenigen Texten des Neuen Testaments, in denen Jesus zu den Menschen spricht, meint er zuerst nicht die „Menge der Leute“, die, die dabei sind, sondern den Einzelnen, von dem er angesprochen wird: „Herr, ich möchte wieder sehen können!“ (Mk 10, 46-52). Den, der sich voller Hoffnung und Vertrauen Jesus zuwendet, nimmt er bei der Hand und führt ihn zu sich selbst: „Dein Glaube hat dir geholfen. Und der, der sogleich sehen konnte, folgte ihm auf dem Weg.“

In Joh 8, 2-11 sagt Jesus zu der Frau, die die Pharisäer und Schriftgelehrten zu ihm brachten: „Ich verurteile dich nicht. Geh und sündige von jetzt an nicht mehr.“ Jesus weigert sich, von Gott so zu sprechen wie die Gesetzeslehrer. Er beschreibt und nennt nicht Gesetze und Verbote, die sagen, was wir tun sollen, vielmehr gibt er uns in seinem Reden und Tun die Kraft, allen Verformungen auszuweichen und sein zu dürfen, was sich in uns selbst und auf ein Du und ein Wir hin entfaltet.

„Zur Freiheit seid ihr berufen... Lasst euch nicht wieder unter das knechtische Joch fangen“ (Gal 5,1 und 13). Nicht anders als in Freiheit entdecken wir den göttlichen Reichtum, der in uns liegt... wir „verstehen“ die unsagbaren Sprachen zwischen Himmel und Erde und die Bilder in uns, die unsere Seele weit machen. Nur so ist es möglich, die eigene Mitte zu finden, selber zu sein und dem gemäß zu leben.
Manfred Reichgeld (11.08.11)



Menschenfischer werden
(zu Lk 5, 1-11)

Herr Jesus Christus,
dein Netz will ich auswerfen
dieses Netz deiner grenzenlosen Liebe,
die nichts erwartet und keine Bedingungen stellt,
dieser Liebe, die nicht endet
vor den Türen der Hoffnungslosen
und Verzweifelten,
und auch nicht
vor den Mauern festgefahrener Denkweisen
und sorgfältig aufgestapelter Vorurteile.
Dein Netz will ich auswerfen,
dieses Netz deines unerschütterlichen Vertrauens,
das Mut macht
immer wieder aufzubrechen,
das Undenkbare zu erproben,
das Aussichtslose zu wagen
und ungewohnte Wege zu gehen,
dieses Vertrauens,
das so ansteckend ist
und in ein Leben in Fülle führt.

Dein Netz will ich auswerfen,
dieses Netz deiner gütigen Barmherzigkeit,
die sich der Schwachen annimmt
und die Kleinen in die Mitte stellt,
die den Ausgestoßenen Geborgenheit
und den Kranken Heilung schenkt,
dieser Barmherzigkeit,
die den Schuldigen nicht verachtet
und immer wieder von neuem
zur Vergebung bereit ist.
Dein Netz will ich auswerfen,
dieses Netz deiner wahren Gerechtigkeit,
die nicht selbstgerecht urteilt und verurteilt,
sondern aufrichtet
und zur Aufrichtigkeit ermutigt,
dieser Gerechtigkeit,
die aller Dunkelheit ein Ende bereitet,
weil sie alles in einem neuen Licht betrachtet,
im Licht deiner göttlichen Liebe und Güte,
das deinen Frieden zum Blühen bringt.

Herr, ich danke dir,
dass du mir deine Netze anvertraust
und mich für dich
zum Menschenfischer werden lässt.
Hannelore Bares (20.06.11)



Wer der Erste sein will ...
„Wer unter euch der Erste
ein will, der sei der Letzte von euch und der Diener aller“ (Mk 9,35; 10,43 f.). Das ist die ganz andere Perspektive, die Jesus den Menschen seiner Zeit und uns anbietet. Nicht „nach oben“ ist zu schauen..., um diesem oder jenem Anspruch zu genügen. Es ist umgekehrt: Der Ruf um Hilfe, der aus dem Munde der Ohnmächtigen kommt, ausgesprochen oder auch unausgesprochen, gibt die Richtung des Handelns vor.

Das ist keine ferne, unerreichbare Vision, wohl aber eine eigene Erfahrung, die uns – so umgewertet – eher fremd als wirklich anmutet. Jesus selber handelte so, indem er die am meisten Verachteten, die Zöllner und die, die am Rand standen, einlud und sich gemeinsam mit ihnen an einen Tisch setzte. Dass dies den sich „auf Recht und Ordnung“ berufenden Pharisäern und Schriftgelehrten nicht gefiel, wissen wir aus nicht wenigen Texten des Neuen Testaments. – Denken wir anders?

Die vor genannten Worte Jesu von den „Ersten“ und den „Letzten“ benennen sehr viel mehr als nur ein „karitatives Wohlmeinen“, den Armen zu helfen und sich für sie einzusetzen. In allem hat Jesus zuerst die göttliche Würde des einzelnen Menschen im Blick, seine Freiheit und seine Unabhängigkeit gegenüber dem, was uns bedrängt und einzuengen vermag.
Manfred Reichgeld (25.05.11)



Ein neuer Anfang
Stellen wir uns nur einen Augenblick das Unvorstellbare vor: Es sei da kein Gott... Was bliebe? Allein die Gegenwart, die keine Zukunft kennt, ein unbestimmtes Gewesensein und ein ständiges Zu-Grunde-Gehen – ohne Ziel und ohne Wahrheit, eine ewige Wiederholung des Gleichen...

Der Gott des Lebens und der Liebe, an den wir glauben, ist die Zukunft selbst. In Christus wird seine Zusage an uns sichtbar: „Seht, ich mache alles neu“ (Offb 21,5). „Ich schaffe einen neuen Himmel und eine neue Erde“ (Offb 21,1). „Neu“ ist das Ur-Wort in den Schriften der Bibel, das uns das ganz Andere und für immer Bleibende verheißt.

Offb 3,12 spricht von einem neuen Jerusalem, Lk 27,20 vom neuen Bund, Röm 6,4 von neuem Leben, Röm 7,6 vom neuen Geist, 2 Kor 5,17 von der neuen Schöpfung, Kol 3,12 vom neuen Menschen... In Jes 43,18f lesen wir: „Seht, ich tue Neues; schon sprosst es. Merkt ihr es nicht? Ja, ich mache durch die Wüste einen Weg, in der Einöde Ströme.“

Darin besteht unsere Hoffnung über den Tag hinaus: In der Wüste einen Weg zu finden und in der Dunkelheit das Licht. – Die Wahrheit, der wir entgegengehen, glauben wir nicht als eine Verlängerung dessen, was ist, sondern als das unbegreiflich „Neue“, das sich in der Liebe Gottes für immer vollendet.
Manfred Reichgeld (02.05.11)



Einzig die Liebe...
Amor est magis cognitivus
quam cognitivo -
Die Liebe ist weit erkenntiskräftiger
als die Erkenntnis (selbst).
Umberto Eco

Intuitiv gefühlt und ebenso verwirklicht, erhebt uns die Liebe über alles Hinfällige und Zerbrechliche; sie verbindet uns mit dem Grund und dem Ursprung unseres Seins – mit dem Gott des Lebens und der Liebe.

Was uns einengt oder belastend vor uns liegen mag, überwindet die Liebe; sie besitzt die Kraft, alles neu zu machen, zu heilen, umzukehren und zu verstärken, ..., zu (er)tragen, wozu wir von uns selbst her niemals imstande wären.

Einzig die Liebe lässt uns ahnen und darauf vertrauen, dass sich hinter allen Grenzen Licht und Weite auftun und wir (innerlich) sehen, was für unsere Augen unsichtbar bleibt. – Haben wir es vermocht, in der Liebe zu wachsen und weiterzugeben, was wir selbst an Zuneigung und Güte erfahren haben? In dieser Frage liegt der wirkliche Maßstab unseres Lebens.

Wenn wir die Liebe als unsere innere Wahrheit spüren und entsprechend handeln, ohne weitere Absicht und ohne geplant oder berechnend zu sein, dann sind wir Gott und den Menschen nah.
Manfred Reichgeld (24.03.11)



Gott allein genügt

Nichts soll dich ängstigen,
Nichts dich erschrecken,
Alles vergeht,
Gott ändert sich nicht.
Die Geduld erreicht alles,
Wer sich an Gott hält,
Dem fehlt nichts –
Gott allein genügt.
(Teresa von Avila)

„Sich an Gott halten“ – damit meinen wir, für wahr halten, dass Gott ist und dass er ein Gott der Menschen ist. In ihm leben wir, bewegen wir uns und sind wir (angenommen).

Angesichts des Bösen in der Welt und in Trauer und Leid ist es nicht immer leicht zu glauben – und doch besteht darin die einzige Hoffnung, dass am Ende die Liebe (das Gute) nicht umsonst ist. – Gott für wahr halten, heißt auch, eine Antwort finden, wenn es um uns selbst geht, um den Sinn unseres Lebens und um den Sinn der Welt um uns.

Mit unserem Ja zu Gott sind wir wie Abraham auf dem Weg und können dabei nicht auf das Sichtbare und Verfügbare vertrauen, sondern allein auf die (glaubend erfahrene) Zusage Gottes: Ich habe dich bei deinem Namen gerufen.

Soll unser Leben nicht letztlich sinnlos und absurd sein, dann nur, wenn unsere Hoffnung auf Gott einer zugleich greifbaren und unbegreiflichen Wirklichkeit entspricht. An diese Wirklichkeit Gottes glauben wir.
Manfred Reichgeld (02.03.2011)



Zur Wahrheit berufen
Als Jesus in Galiläa und Jerusalem die Ausgegrenzten und Chancenlosen an seinen Tisch einlud, war dies für viele ein Ärgernis und widersprach dem, was „Gesetz und Ordnung“ damals wider die Freiheit des Einzelnen und wider die Güte setzten.

Gegen alle Zweifel und alle Angst, schuldig zu werden vor Gott, stellte Jesus das Vertrauen: Ihr seid vorbehaltlos angenommen und ohne euer Dazutun geliebt. In Freiheit und in der Wahrheit zu leben, dazu seid ihr berufen – und darin dem Himmel nah. Nur ihr selbst könnt euch von dieser Nähe zu Gott (und den Menschen) entfernen und ausschließen, indem ihr nicht die Wahrheit und die Liebe sucht.

„Dein Glaube hat dir geholfen“, sagt Jesus in Mk 5,34. „Glaube“ meint das heilende und alles verändernde Vertrauen, den „Gang über das Wasser“ (Mt 14,25), Mut haben und aufbrechen, sich selbst annehmen und nicht verzagt zurückbleiben.

Die Botschaft Jesu ist die unüberbietbare „Vision des Lebens“, die alle Zeit und allen Raum überdauert. – Von dieser Hoffnung und in diesem Vertrauen leben wir.
Manfred Reichgeld (07. 02. 11)



Ewigkeit
Ewigkeit ... ewig ... Damit meinen wir das, was zeitlich nicht begrenzt ist, was weder Anfang noch Ende hat, das ganz Andere, der „nur Gott eignende Zusammenbesitz des Seins“.
„Ich glaube an die Auferstehung der Toten und das ewige Leben“, sprechen wir im Glaubensbekenntnis. Das ist nicht eine Rede unter anderen, vielmehr formulieren wir darin unsere alles umfassende Hoffnung in die Zusage Gottes: „Dort, wo ich bin, da werdet auch ihr sein.“
In seinem Gedicht „Tiefseemuschel“ verbindet Günter Kunert in einer sehr schönen Weise die beiden Begriffe „Schöpfung“ und „Ewigkeit“ – nicht erklärend, sondern fragend und suchend und mit dem Blick nach innen:
Tiefseemuschel
Bewundernd musterst du, was Leben
aus Kalk und ohne Vorbild schafft.
Was steckt dahinter? Welches Streben?
Das ist die Hülle: Wo die Kraft?

Beliebt: Solch Stück ans Ohr zu halten.
Man hört nur rauschen. Doch du bist bereit
beim Lauschen eine Ahnung zu entfalten:
So und nicht anders klänge Ewigkeit.
Manfred Reichgeld (18.01.2011)

Schöpfung
Gott ist der Schöpfer des Himmels und der Erde. Das ist keine Aussage, die dem, was wir Evolution nennen, entgegen steht. Was wir heute über die Anfänge des Universums wissen, ist von anderer Art, als dass es etwas beweisen oder ausschließen könnte.
Wenn wir „Gott“ sagen, vertrauen wir damit auf den Schöpfer allen Lebens, auf eine Wirklichkeit, die für uns letztlich unbegreiflich ist – zugleich nah und fern. Anders formuliert: Der Grund für das Sein des Menschen ist die über den Tod hinausreichende schöpferische Liebe Gottes, die alle Grenzen überschreitet und nicht gedacht werden kann in Zeit und Raum, ...der wir uns zu nähern suchen, wenn wir von Gott als der „ewigen Liebe“ oder dem „Licht in der Finsternis“ sprechen.
Gott ist der Schöpfer des Himmels und der Erde. Er begegnet uns in jedem einzelnen Menschen. Für den Glaubenden ist dies eine Erfahrung, die ihn dankbar stimmt und ihm hilft zu leben – trotz allem Leid und aller Vergänglichkeit, die uns umgibt.
Manfred Reichgeld (21. 12. 10)


Es werde Licht
„Es werde Licht. Und es ward Licht.“ Diese Bildworte aus dem Buch Genesis benennen den „Anfang“: Gott als die erleuchtende, wärmende und heilende Kraft, der zeitlose und überzeitliche Urgrund allen Seins, unendlich und unermesslich zugleich – „initium und principium“ allen Lebens.
„Gott ist Licht, und keine Finsternis ist in ihm“ (1 Jo 1,5). Wir nähern uns ein wenig diesem Geheimnis, wenn wir die Metapher zuerst in ihrer poetischen Kraft betrachten – etwa wie Ingeborg Bachmann in ihrem Gedicht „An die Sonne“:
„Weil dein und mein Leben jeden Tag an ihr hängt, ist die Sonne. (...)
Schönes Licht, das uns warm hält, bewahrt und wunderbar sorgt,
dass ich wieder sehe und dass ich dich wiederseh!
Nichts Schönres unter der Sonne als unter der Sonne zu sein...“
Wenn wir so von der Sonne sprechen können, welche Worte finden wir, um zu sagen: „An den Gott des Lebens und der Liebe“?
Manfred Reichgeld (23. 11. 10)



Über den Tag hinaus
Wenn uns in den unterschiedlichen Situationen des Lebens die Härte der äußeren Wirklichkeit trifft - Kälte, Dunkelheit und verlorene Hoffnungen - redet Gott am deutlichsten in uns (in unserem Herzen).
Die Sehnsucht des Menschen nach der Zeit und dem Raum hinter allen Grenzen und die unbedingte Hoffnung darauf lässt uns die verborgenen Sprachen zwischen Himmel und Erde mehr und mehr verstehen und die Wirklichkeit in und um uns mit anderen Augen sehen. Diese Sehnsucht nach dem Unendlichen trägt nichts Unwirkliches in sich und nichts, was unserer Natur und göttlichen Bestimmung entgegen stünde.
Wie die Schwalben im frühen Herbst die Sehnsucht nach der grenzenlosen Weite der Meere und Berge überkommt, vermag uns der Blick über den Tag hinaus auf einen neuen Weg zu bringen, auf dem sich Dunkelheit und Kälte wandeln in Licht und Wärme.
„Wandeln“ meint nicht, dass Gefahren und Hindernisse auf unseren Wegen wie von selbst verschwinden, „wandeln“ meint, vor Hindernissen nicht stehen bleiben, mutiger zu hoffen wagen, mehr vertrauen und gemeinsam unterwegs
sein. – Der Weg, den wir gehen, ist wichtig.
Ein Ziel ohne eigenen Weg gehört uns nicht.
Manfred Reichgeld (25. 10. 10)



Sprache finden
Wir reden über Gott und die Welt, über die Liebe und den Tod... Und doch bleibt eine letzte Distanz, wenn es uns nicht gelingt, eine Sprache zu finden, die uns etwas von der Wirklichkeit (Gottes) verständlicher erschließt, als dies alle noch so richtigen „theologischen Sätze über Gott“ vermögen.
Wir kommen einem Menschen nicht dadurch nahe, indem wir „über“ ihn reden, sondern darin, dass wir uns ihm im Gespräch nach und nach nähern und öffnen und in einen wechselseitigen Dialog treten. So hilft es in einer gestörten Beziehung zwischen zwei Menschen nicht, Sätze „über die Liebe“ auszusprechen, sondern Worte zu finden, die Liebe und Vertrauen wieder möglich machen. Ein solches Reden meint nicht: erklären, definieren, abgrenzen, benennen, festlegen, ... sondern: hören, fragen, suchen, aufeinander eingehen, ...
Für unser Reden/Sprechen mit Gott finden wir in der Bibel (wie nirgends sonst) eine solche Sprache, „die Tränen versiegen lässt, Luft zum Atmen gibt und Mut, um wieder aufzustehen“: Für den Hoffnung Suchenden in den prophetischen und apokalyptischen Visionen, für den Glücklichen in den Lobpsalmen und im Hohen Lied, für den Geängstigten bei Jeremia und Hiob...
Manfred Reichgeld (15. 10. 10)



Zur Freiheit berufen
„Zur Freiheit hat uns Christus befreit. Bleibt daher fest und lasst euch nicht von neuem das Joch der Knechtschaft auflegen“ (Gal 5, 1). Was Jesus meint, ist eine „innere Freiheit“ wider alle Angst und wider die Verstellungen des Lebens. Wenn es uns immer mehr gelingt, Geborgenheit und Zuversicht zu suchen – statt umgekehrt zu leben -, nähern wir uns dem, wie es unserer göttlichen Natur entspricht.
Die Wunderheilungen im Neuen Testament beschreiben diesen Weg: Der blinde Bartimäus (Mk 10, 46-52) erkennt seinen eigenen Willen und vertraut wider alle Hoffnungslosigkeit und Angst dem, was er mit eigenen Augen sieht... „Geh! Dein Glaube hat dir geholfen“, sagt Jesus. Das ist die Freiheit, zu der wir berufen sind.
Dem Wort Jesu zufolge entsteht „innere Freiheit“ zuerst dadurch, dass wir dem wahren Bild unseres Selbst nachgehen und der ewigen Liebe vertrauen, die uns ins Dasein rief. Wir müssen dabei keine Sorge haben, in unserem Leben alles nur richtig machen zu müssen. Wer dies will, macht niemals etwas richtig, weil er wie gelähmt vor dem steht, was zu tun ist.
Manfred Reichgeld (17. 09. 10)



Wahrheit und Liebe
Auf der Suche nach Worten, die annähernd beschreiben, „was Gott ist“, kommt uns zuerst der Begriff „Liebe“ in den Sinn: Gott ist die Liebe. In dem für menschliches Denken und Fühlen unüberbietbaren Begriff der Liebe verstehen wir den absoluten Bezugspunkt unserer Sehnsucht und unserer Suche nach letztem Sinn – über alles Einengende hinaus und jenseits aller Grenzen.
Der Glaube an die Liebe, die Liebe selbst, kann nicht ohne eine Person, die sie sucht und zu dieser Liebe imstande wäre, gedacht werden. Gott ist der absolute Bezugspunkt aller Liebe (und aller Wahrheit), der „personale (Ur-)Grund“ eines Vertrauens, das uns selbst die Fähigkeit schenkt zu lieben – weil wir zuvor vorbehaltlos gewollt und gemeint sind.
Wahrheit und Liebe gehören zusammen. Was wäre die Liebe ohne die Wahrheit und Wahrheit ohne Liebe? 1 Kor 13,2 ist ganz wörtlich zu verstehen: „Wüsste ich alle Geheimnisse und besäße ich alle Erkenntnis, doch hätte ich die Liebe nicht, wäre ich ein Nichts.“
Manfred Reichgeld (19.08.10)



Neue Hoffnung finden
Jesus hat den Menschen seiner Zeit (und jeder Zeit) einen Gott nahe bringen wollen, der alle Schuld vergibt, der von aller Angst und allen Zweifeln befreit und uns anbietet, in gleicher Weise einander zu begegnen – vorbehaltlos und in unbedingtem Vertrauen.
Das ist sozusagen der Weg zurück an den Ort, den die Sprache der Bibel das „Paradies“ nennt, wo alle Widersprüche und Abhängigkeiten aufgehoben sind und wo die Liebe den Hass überwindet und das Licht die Finsternis.
Es ereignete sich immer wieder, dass Menschen in der Nähe Jesu Vertrauen und neue Hoffnung fanden: Der Blinde, der heil wurde an Leib und Seele, und die Vielen, die auf Jesu Wort hin lernten, durch die Dunkelheit hindurch mehr an die Sterne zu glauben als an die Nacht.
Jesus wollte Angst und Hoffnungslosigkeit nicht gelten lassen, nicht die Einsamkeit und nicht das, was Menschen einengt und niederdrückt. Er redete dagegen, indem er davon sprach, dass Gott uns in allem vorbehaltlos und ohne unser Dazutun liebt – und dass wir nicht allein sind auf unserem Weg durch die Zeit.
Manfred Reichgeld (20.06.10)



In der Liebe wachsen
Zu allen Zeiten haben sich Menschen gefragt: Wie kann ich am besten Gott dienen? Welcher Weg ist der richtige und wie gehe ich mit den Hindernissen um, die sich mir in den Weg stellen? Entfernen wir uns nicht in dem Maße von Gott, wie wir uns im täglichen Leben in Familie und Beruf dem Kind, der Frau, dem Bruder, der Mutter, ..., uns selbst zuwenden?
Es gibt eine sehr schöne und durch die Rede und das Tun Jesu bezeugte Antwort auf diese Fragen: Stellen wir uns einen in den Sand gemalten Kreis vor: Die Mitte ist Gott, die Kreislinie die Welt. Dort leben die Menschen. Wollen sie Gott näher kommen, müssen sie in das Innere des Kreises gehen. Und sie erfahren: Je näher sie Gott kommen, desto näher rücken sie zusammen, und je näher sie einander kommen, desto näher sind sie bei Gott.
Vor Gott zählt allein die Art der Menschlichkeit, die Blinde sehen und Lahme gehen lässt (Jes 35, 5.6) – es zählt, ob wir handeln, statt reden, andere mitnehmen und teilen, ob es uns gelingt, die leeren Worte mit Leben zu füllen und in der Liebe zu wachsen.
Manfred Reichgeld (31. Mai 2010)



Vertrauen
So wie das Kind Mutter und Vater vertraut und in ihrer Zuneigung und Liebe den wichtigsten Halt erlebt, so erfahren wir allein in der Haltung des Vertrauens mehr und mehr Zuversicht und eigene Freiheit. Umgekehrt: Ohne Vertrauen würde sich alles in und um uns in nicht endende Angst und Hoffnungslosigkeit verwandeln.
Auf der Suche nach dem (Ur-)Grund unseres Vertrauens finden wir in der Botschaft Jesu den Halt, der uns „über Berge und Täler“ trägt, den Sinn allen Lebens, den Grund unserer Hoffnung, den Jesus Gott nennt und den er als seinen und unseren Vater bezeichnet.
Gott, den Urgrund allen Vertrauens, finden... verändert: durchbricht den Zwang, alles richtig machen zu müssen, anerkannt zu werden und in scheinbarer Sicherheit zu wissen, wo es langgeht... „Gott vertrauen“ bringt uns gleichsam vor uns selbst und befreit von den Krämpfen und Vergeblichkeiten, die uns lähmen.
Das Bedürfnis nach absoluter Sicherheit scheint dem Denken und Empfinden des Menschen wesenseigen zu sein. Ohne sie je (ganz) zu erreichen: am nächsten kommen wir dieser Sicherheit/Sehnsucht, wenn wir dem Grund unseres Seins vertrauen - dem Gott des Lebens und der Liebe.
Manfred Reichgeld (17. Mai 2010)



Sehnsucht
Exupéry erzählt, wie an einem Herbsttag eine Gruppe von Hausgänsen, die niemals etwas anderes in ihrem Leben gesehen haben als ihren Stall, den Fresstrog und den Weg zum Weiher, über sich eine Kette von Wildgänsen sehen. In diesem Moment begibt sich etwas Wunderbares: die Tiere beginnen, mit den Flügeln zu schlagen, so als wollten sie es ihren frei lebenden Artgenossen gleichtun. In ihren kleinen Köpfen erwacht für einen Augenblick das Bild von Wäldern, Gebirgen, Meeren – und die Sehnsucht, unendlich ins Weite zu fliegen nach geheimen Bahnen und Routen zurück in das Land der Heimat, aus dem sie gekommen sind.
Es ist nur eine Frage der Fantasie, diese kleine Geschichte von den Gänsen auf menschliches Leben zu übertragen – wenn wir von Freiheit, Träumen und Visionen sprechen und von dem, was wir glaubend und hoffend jenseits von Raum und Zeit erwarten. - Jesus sagt: Zur Freiheit seid ihr berufen. Lasst euch nicht wieder unter das knechtische Jochen fangen. Geht dem wahren Bild eures Selbst nach und vertraut der ewigen Liebe, die euch ins Dasein rief und diesen Ruf niemals mehr zurücknimmt. Ihr seid auf dem Weg in das „Land der Heimat“, in das ich vorausgegangen bin und in dem auch ihr sein werdet.
Manfred Reichgeld(26.04.10)



Türen öffnen
Im Johannes-Evangelium (10,1-10) sagt Jesus: „Ich bin die Tür. Wer durch diese Tür zu den Schafen geht, der ist der Hirt der Schafe.“
Es gibt viele Türen und Tore, durch die wir in unserem Leben gehen: Zimmertüren, Haustüren, Kirchenportale – Türen, die sich schwer öffnen lassen und höher und größer sind als andere. – Durch die Haustür gehen wir ein und aus. Da ist der Tisch gedeckt... Hier stand unsere Kinderwiege... Hierhin kehren wir immer wieder zurück. Wir können Türen verschließen und zuschlagen, aber auch aufstoßen und offen halten... Türen bieten Schutz und Ruhe, verwehren den fremden Blick, und manchmal wollen sie auch erzwungen werden – wie in den Märchen unserer Kindertage.
In Joh 10,10 sagt Jesus: „Ich bin die Tür; wer durch mich hineingeht, wird gerettet werden.“ Diese Einladung, nicht „draußen vor der Tür“ zu bleiben, gibt uns gleichsam den Schlüssel in die Hand, den Weg gelingenden Lebens zu finden und nicht zuletzt vor verschlossenen Türen zu stehen. Wenn es uns Mal um Mal gelingt, in der Liebe zu wachsen, öffnen sich die Türen zu uns selbst und zu den Menschen.
Jesus ist die Tür, die uns auf den Weg bringt. Ihm vertrauen wir, wenn er uns anbietet: Wer durch mich hineingeht, findet die Wahrheit und das Leben.
Manfred Reichgeld (09.04.10)



Der persönliche Gott
Wenn man gelegentlich hört: Wir alle glauben doch an den selben Gott, so ist dies nicht (ganz) zutreffend. Es ist ein Unterschied, sich Gott als ein unbestimmtes, unbekanntes, verschlossenes, stummes, unzugängliches „Es“ vorzustellen, oder, wie es im christlichen Glauben geschieht, von einem „persönlichen Gott“ zu sprechen.
Zur Person des Menschen gehören Freiheit, Selbstsein, „Ich“-sagen-Können, Geist, Liebe, ... Gott kann nicht unter diesem Niveau des Menschen gedacht werden, er ist „nicht weniger Person als wir, er ist Person in einem unendlich höheren Maße“ (W. Kasper).
Wenn sich Menschen (als Person) mitteilen, bekunden, offenbaren, ... so geschieht dies nicht um ihrer selbst willen, sondern immer auf ein Du orientiert und mit der Absicht, durch andere Menschen angenommen zu werden. Dieses Annehmen nennen wir „Glaube“. Ich glaube dir, ich glaube an dich, an das, was du (mir) sagst und mitteilst... Dieser Glaube ist etwas zutiefst Menschliches, ohne den ein Zusammenleben gar nicht möglich wäre...
Daraus ergibt sich: Der menschliche Glaube an die Offenbarung Gottes ist nicht etwas Unwirkliches, sondern entspricht geradezu unserer (täglichen) Erfahrung. – „Ich glaube dir nicht, ich glaube dir nichts, ...“ dagegen ist eine Geringschätzung der Person, eine nicht überbietbare Absage und Distanz, die in allem der menschlichen Natur entgegen steht – vor allem dem, was wir Liebe nennen.
Manfred Reichgeld (19. 03. 2010)



Erklärungen
Wie begann alles... und wie war es am Anfang? Wer kennt diese Fragen nicht und nicht die unterschiedlichen Antworten? Glaube und Wissenschaft bieten je andere Perspektiven in ihrem Blick auf die Wirklichkeit, ohne dass wir uns zugleich für das eine und gegen das andere entscheiden müssten.
Wir glauben, dass das, was uns unzugänglich bleibt und rätselhaft erscheinen mag, die belebte und die unbelebte Welt um uns, nicht zufällig entstanden ist. Der Gott, an den wir glauben, ist der Schöpfer des Himmels und der Erde, der nie endende Anfang allen Lebens, Alpha und Omega.
In der „Physik des Lichts“ kennen wir zwei sich (scheinbar) gegenseitig ausschließende Erklärungsmodelle: das Wellen- und das Teilchenmodell. Beide Eigenschaften – das Licht als Teilchen und das Licht als Welle – sind je spezifisch nachzuweisen, und mit ihnen können je spezifische Phänomene des Lichts erklärt werden, die das andere Modell nicht erklären kann. – Ist das nicht ein „kleiner Hinweis“, dass (zugleich) viel mehr wahr und wirklich ist als allein das, was wir mit unseren Augen sehen und mit den Händen fassen können?
Deum credere – glauben, dass ER Gott ist ... der Gott der Liebe und der Urgrund allen Seins. Das kann die Wissenschaft nicht erklären – und doch ist es wahr und wirklich.
Manfred Reichgeld (01. März 2010)



Auf dem Weg – wohin?
Wir glauben, dass die Welt, wie wir sie wahrnehmen und wie sie geworden ist, den zureichenden Grund nicht in sich selbst hat, sondern auf einen tieferen Grund verweist, der aus sich lebt und existiert: Gott.
Als Menschen sind wir in allem endliche Wesen – bedroht, abhängig und zuletzt unausweichlich dem Tod verfallen. Zugleich meldet sich in uns die Sehnsucht und die Hoffnung nach dem Unbedingten und dem Absoluten, nach dem Licht in der Finsternis – wie es die Bibel nennt. Wenn wir je und dann entdecken, wie in einem geliebten Menschen alles neu werden kann, ahnen wir, wohin wir glaubend und hoffend unterwegs sind.
Allein in Gottes unbegreifliche Wirklichkeit ist ein unbedingtes Vertrauen in den Sinn des Lebens möglich. Er ist die Antwort auf unsere Nöte und Ängste und die Ungesichertheit unsers Daseins, wenn sich zuletzt unausweichlich die Frage stellt: Wer bin ich; wo finde ich Sinn und Halt?
Am deutlichsten hat der Gott, an den wir glauben, sein inneres Geheimnis offenbart in und durch Jesus, den er nicht im Tod belässt und dem wir vertrauen, wenn er uns auf seinen Weg einlädt: „Wo ich bin, da werdet auch ihr sein.“
Manfred Reichgeld (17. Febr. 2010)



Allein die Liebe
Es sind die Augenblicke des Ergriffenseins, die ein Leben bestimmen. Er gibt das Ergriffensein durch den Schmerz, durch das Schöne, ..., durch die Liebe. Aus den Märchen unserer Kindertage wissen wir, dass einzig die Liebe die Kraft besitzt, glücklich und frei zu machen. Sie vermag uns über Berge und Meere zu tragen „in ein jenseitiges Land voller Zauber und Träume“.
In seinem 1. Brief an die Korinther schreibt der Apostel Paulus: „Die Liebe ist langmütig, gütig, nicht eifersüchtig, sie ist nicht unanständig und sucht nicht den eigenen Vorteil. Sie erträgt alles, glaubt alles, hofft alles, übersteht alles. Die Liebe hört nie auf...“ (1 Kor 13,4-7).
Die Liebe als der Grund und der Ursprung allen Seins lässt uns leben. Sie ist die Kraftquelle, die uns durchfließt und uns zu dem erhebt, wozu wir selbst niemals imstande wären. Und doch ist die Liebe unendlich mehr als nur eine Kraft. In und über allem steht jemand, der auf uns mit jener unüberbietbaren Energie zu wirken vermag, die wir „Liebe“ nennen: Gott. Diese Liebe trägt uns über Berge und Meere und zuletzt in ein jenseitiges Land voller Zauber und (dann erfüllter) Träume.
„Wüsste ich alle Geheimnisse und besäße ich alle Erkenntnis, doch hätte ich die Liebe nicht, wäre ich ein Nichts“ (1 Kor 13,2).
Manfred Reichgeld (27. Januar 2010)